SteinbrückBerlin bellt weiter
Die verbalen Entgleisungen des deutschen Finanzministers Steinbrück provozierten geharnischte Reaktionen in der Schweizer Politik. Doch in Berlin gibt man sich erstaunt über die Empörung der Nachbarn. «Negative Bilder gehören zur Politik», heisst es im Finanzministerium. Und: Die Schweizer gingen zu wenig entspannt mit dem Thema um.
Mit seinem martialischen Vokabular im Kampf gegen das Bankgeheimnis hat sich Finanzminister Peer Steinbrück nun offenbar auch die letzten Sympathien in der Schweizer Öffentlichkeit verspielt. Zuerst drohte er der Schweiz mit der sprichwörtlichen «Peitsche». Dann verglich er die deutsche Taktik mit jener der Kavallerie, die mit ihrer blossen Anwesenheit die Indianer in Angst und Schrecken versetzt. Die Aufregung des Schweizer Boulevards über Steinbrücks verbale Auffälligkeiten ist nun auch bei der Regierung angekommen. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey bezeichnete Steinbrücks Äusserungen schlicht als «inakzeptabel, aggressiv und beleidigend».
«Niemand hat die Schweizer mit Indianern verglichen»
Doch Peer Steinbrücks Wortwahl sei nie aggressiv oder beleidigend gewesen, sagt Steinbrücks Pressesprecher Torsten Albig gegenüber 20 Minuten Online. Sein Chef sei «höchst erstaunt» über die Empörung im Nachbarland. «Niemand hat die Schweizer mit Indianern verglichen.» Wer das so wahrnehme, habe die Wortfigur von Herrn Steinbrück nicht verstanden. In schulmeisterlicher Manier erklärt Albig die «Indianer-Metapher»: «Konflikte können verhindert werden, wenn die denkbare Reaktion - wie hier das Setzen der Schweiz auf die Schwarze Liste der Steueroasen durch die OECD - erkennbar ist. Das sagt das verwandte Bild - mehr nicht.» Dass sich die Schweizer an dieser kriegerischen Rhetorik stossen, kann weder Albig noch sein Chef Steinbrück nachvollziehen.
Die vom Deutschen Finanzminister Steinbrück rhetorisch geschickt aufgebaute Drohkulisse provozierte in der Schweiz zunehmend aggressive Reaktionen. Ab heute müssen sogar Nazi-Vergleiche herhalten, um dem rauen Wind aus Berlin zu begegnen. CVP-Nationalrat Thomas Müller beschwörte während der Sonderdebatte das Bild des Deutschen im Dritten Reich, die «mit Ledermantel, Stiefel und durch die Gassen gegangen sind».
«Dieses Bild steht in keinem Verhältnis zu den Äusserungen von Herrn Steinbrück über die Schweiz -es ist vollkommen absurd», kommentiert Pressesprecher Albig Müllers Votum. Das deutsche Bundesfinanzministerium erhalte mittlerweile täglich erboste E-Mails aus der Schweiz, die von ähnlichem Zuschnitt seien. Manche griffen sogar eine Schublade tiefer und bezeichneten Steinbrück als «Nazi».
«Negative Bilder gehören nun mal zur Politik»
Doch sind die geharnischten Reaktionen aus der Schweiz nicht auch ein Zeichen dafür, die Kommunikationspolitik zu überdenken, und wieder moderatere Töne gegenüber der Schweiz anzuschlagen? –«Ganz und gar nicht. Würde man in der Schweiz einen entspannten Umgang mit dem Thema pflegen, würde sich niemand aufregen.» In der Politik werde nun mal mit negativen Bildern gearbeitet. Das müsse man aushalten können, findet Albig. Und: «Wir sind es ja nicht, die gegen die Regeln der OECD verstossen.»
Für sachliche Auskünfte: Steinbrück
Die SP hat sich laut eigenen Angaben bereits schriftlich bei den deutschen Genossen des SPD-Parteivorstandes beschwert. Doch das dieser ihrem Finanzminister in den Rücken fällt, ist unwahrscheinlich. Der Bitte um Stellungnahme von 20 Minuten Online wollte man im Willy-Brandt-Haus nicht entgegenkommen: Die Anfrage sei schriftlich zu formulieren, liess man knapp aus der Parteizentrale verlauten. Schliesslich kam der Bescheid von der Pressestelle: Ein Brief der Schweizer Sozialdemokraten sei dort nicht bekannt. Und: «Um auf eine sachliche Ebene zurückzukommen, wenden Sie sich bitte an den Bundesfinanzminister.»