Was verdient die Schweiz am Bankgeheimnis?

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SteuerfluchtWas verdient die Schweiz am Bankgeheimnis?

Die Schweiz bricht ein beim Bankgeheimnis. Wie gross der volkswirtschaftliche Schaden bei einer Lockerung wäre, kann niemand genau beziffern. Doch der Finanzplatz Schweiz hängt nicht alleine vom Bankgeheimnis ab.

Lukas Mäder
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Lukas Mäder

Das Bankgeheimnis als Standortvorteil für die Schweiz ist einmal mehr unter Beschuss. Bei einer Lockerung drohen ausländische Vermögen abzufliessen, die als Steuerflucht-Gelder bei Schweizer Banken liegen. Die Erträge der Finanzbranche würden sinken. Wie viel Geld die Banken aber mit Schwarzgeld verdienen, ist unklar. Die Schätzungen gehen stark auseinander.

Hälfte der Banken nicht im Ausland tätig

Die Banken in der Schweiz erwirtschaften eine jährliche Wertschöpfung von 6 bis 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Im guten Jahr 2006 waren es laut Bankiervereinigung 41 Milliarden Franken, was 8.5 Prozent des BIP von 487 Milliarden Franken entspricht. In den schlechten Jahren 2001 und 2002 waren es nur 5 bis 6 Prozent. Doch lange nicht alle Banken verwalten ausländische Vermögen. «Die Hälfte der Banken beschäftigen sich mit dem sogenannten Domestic Banking», sagt Rudolf Strahm, Ex-Preisüberwacher, Ex-Nationalrat und studierter Volkswirtschaftler. Die Kantonal- und Regionalbanken, die Raiffeisen-, Migros- oder Coop-Bank akquirierten kaum ausländische Vermögen.

In den von Steuerflucht betroffenen Bereich fallen Banken wie die Credit Suisse, die UBS sowie die Privatbanken. Die Verwaltung von Offshore-Vermögen — Geldern aus dem Ausland — trägt rund 3 Prozent zum Schweizer BIP bei, so die Schätzung der Bankiervereinigung für 2006. Die Verwaltung der 2600 Milliarden Franken ausländischer Vermögen beschäftigt 35 000 Personen und bringt dem Fiskus rund 3 Milliarden Franken — zumindest in einem guten Jahr — ein. Doch nicht alle Offshore-Vermögen stammen von privaten Anlegern. Rund 60 Prozent der Gelder sind Vermögen von institutionellen Kunden.

Niemand kann Ertrag genau schätzen

Bei konkreten Berechnungen beginnen hier die Probleme: Hinter einem Teil der institutionellen Anleger können beispielsweise über Stiftungen trotzdem Private stecken. Wie viel Geld das ist, kann nur geschätzt werden. Ebenso vage ist die Schätzung, welcher Teil der privaten Offshore-Vermögen aus Gründen der Steuerflucht bei Schweizer Banken liegt. Privatbankier Konrad Hummler schätzt den Anteil auf 30 bis 50 Prozent. Mit diesen Zahlen hat die Zeitung «Bund» heute berechnet, dass Ende 2008 rund 400 Milliarden Franken Schwarzgeld auf Schweizer Konten liegen. Der jährliche Nutzen liege bei 1 bis 2 Prozent des BIP. Viel höher liegt eine weniger aufwendige Schätzung des «Blicks»: Er schätzt die Höhe der Schwarzgelder in der Schweiz auf 1600 Milliarden Franken.

Angsteinflössend sind auch die Schätzungen des Genfer Privatbankiers Ivan Pictet. Im Interview mit «Le Temps» prophezeit er, dass der Finanzplatz Schweiz sich um knapp die Hälfte verkleinern könnte, von 12 Prozent des BIP auf noch 6 bis 7 Prozent. Rudolf Strahm kommt in seiner groben Schätzung zu geringeren Einbussen: «Wenn heute die Wertschöpfung der Banken 6 bis 8 Prozent des BIP ausmacht, könnte sie mit dem Ende des Bankgeheimnisses auf 5 bis 7 Prozent sinken.» Denn noch immer sei die Realwirtschaft mit Maschinenindustrie, Pharmaunternehmen und Tourismus viel wichtiger für die Schweiz, sagt Strahm. «Der Bankensektor in der Schweiz wird im In- und Ausland masslos überschätzt.»

«Schweizer Wirtschaft nicht auf ausländisches Geld angewiesen»

Das Bankgeheimnis ist nicht der einzige Standortfaktor des Finanzplatzes Schweiz, ist Strahm überzeugt. Wichtig seien auch Mehrsprachigkeit, Präzision und die Rechtssicherheit, die zentrale Lage der Schweiz sowie das Know-how des Bankenpersonals. «Eine Lockerung des Bankgeheimnis wäre nicht der Tod des Finanzplatzes Schweiz», sagt er. Sowieso habe die Finanzkrise den Banken viel grössere Einbussen beschert, als sie das Ende des Bankgeheimnisses bringen würde. Die Schweizer Wirtschaft sei für ihr Wohlergehen auf die ausländischen Gelder gar nicht angewiesen, sagt Strahm. «Die Schweizer sparen mehr Geld, als die Banken in der heimischen Wirtschaft investieren können.»

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