IrlandMindestlohn: Zehn Franken
23 Prozent Mehrwertsteuer, kein kostenloses Trinkwasser mehr und 10 Franken Mindestlohn - das irische Sparpaket trifft die Menschen hart. Der Lebensstandard der Iren wird deutlich sinken.

Der irische Ministerpräsident Brian Cowen erklärt, was für Hilfsmassnahmen für sein Land nötig sind.
Der irische Ministerpräsident Brian Cowen hat die Höhe des internationalen Rettungspakets für sein Land auf voraussichtlich etwa 85 Milliarden Euro beziffert. Über diese Summe werde verhandelt, die Zustimmung von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) stehe aber noch aus, sagte Cowen am Mittwoch vor Abgeordneten in Dublin. Er bezog sich damit auf irische Medienberichte, in denen von diesem Umfang des Rettungsschirms die Rede war.
Wenige Stunden nach Cowens Äusserung stellte die irische Regierung ein Sparpaket mit einem Gesamtumfang von 15 Milliarden Euro vor, das Voraussetzung ist für die Hilfen von EU und IWF. Es ist die drastischste Haushaltskürzung in der Geschichte des Landes. Die Regierung will damit das Staatsdefizit bis 2014 auf die in der Eurozone geforderten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Die diesjährige Verschuldung Irlands beläuft sich auf einen europäischen Rekord von 32 Prozent.
Demonstranten vor Amtssitz
Im Einzelnen will die Regierung von 2011 bis 2014 die Haushaltsausgaben um zehn Milliarden Euro zusammenstreichen und fünf Milliarden an neuen Steuern auf Grundbesitz und Wasser erheben. Auf der Streichliste stehen Tausende von Stellen im öffentlichen Dienst, Sozialausgaben, Pensionen. Die Studiengebühren werden ebenso wie einige Steuern erhöht. Selbst der Premier räumte ein, dass der Lebensstandard für jeden im Land sinken werde.
Einige der geplanten Massnahmen:
Die Mehrwertsteuer wird ab 2013 in zwei Schritten von 21 auf 23 Prozent erhöht
Der Mindestlohn beträgt neu 7,65 Euro (10,15 Franken)
Gratis Trinkwasser ist für die Iren Geschichte - neu werden in sämtlichen Haushalten Wasserzähler installiert
Studenten haben neu jährlich 2000 Euro an Studiengeld zu berappen
Arbeitslosen- und Kindergelder werden um 2,8 Milliarden Euro gekürzt
Bereits ab einem Einkommen von 15 300 Euro müssen Steuern gezahlt werden - früher lag die Schwelle bei 18 300 Euro. Bislang steuerbefreite Berufsgruppen, wie etwa Künstler, werden neu zur Kasse gebeten
Viele Steuerrabatte werden gestrichen, darunter Hypothekenzahlungen und Gewerktschaftsbeiträge
Vorübergehend wird eine Immobiliensteuer von 100 Euro eingeführt
Jedes Jahr sollen 3000 Stellen im öffentlichen Dienst wegfallen - insgesamt werden 25 000 Jobs gestrichen
Der Einstiegslohn für neue öffentliche Stellen wird um 10 Prozent gesenkt - das soll 1,2 Milliarden Euro bringen
Pensionen für ehemalige Staatsbedienstete sinken um 6-12 Prozent, wenn sie über 12 000 Euro liegen
Vor den Absperrungen vor Cowens Amtssitz versammelten sich rund 100 Demonstranten, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. «Das ist ein Fahrplan zurück in die Steinzeit», sagte Jack O'Connor, Präsident der grössten irischen Gewerkschaft SIPTU. «Irland braucht einen Plan für Wachstum, dieser Plan aber wird genau das Gegenteil erreichen.»
Analysten skeptisch
EU-Finanzkommissar Olli Rehn lobt das Sparpaket aus Dublin als ausgewogen. Irlands Entschlossenheit, sein Defizit abzubauen, biete ein «solides Fundament» für die bevorstehenden Verhandlungen.
Der irische Radiosender RTE meldete unterdessen, etwa die Hälfte der 85 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket sei zur Deckung des Staatsdefizits bis 2013 vorgesehen und der Rest zur Aufstockung der Barreserven der Banken. Finanzanalysten äusserten sich skeptisch über Cowens Angaben und erklärten, zur Rettung Irlands vor dem Staatsbankrott sei wesentlich mehr Geld notwendig.
Der Finanzexperte Constantin Gurdgiev vom Trinity College in Dublin sagte: «Die Regierung verschliesst die Augen vor der Tatsache, wie viel Geld sie sich leihen muss.» Irland benötige zwischen 120 Milliarden Euro und 130 Milliarden Euro zu einem niedrigen Zinssatz, um sein Defizit nicht noch weiter zu erhöhen. Gurdgiev verglich die Lage Irlands mit der Griechenlands. «Unsere Wirtschaft ist mehr als drei Mal so überschuldet wie Griechenland», sagte er. «Wenn Griechenland insolvent ist, was sind wir dann?»
Bankentitel auf Talfahrt
An der Börse in Dublin setzten die Bankenwerte am Mittwoch den dritten Tag in Folge ihre Talfahrt fort. Die Aktie der Bank of Ireland fiel um 27 Prozent auf ein Rekordtief von 0,22 Euro. Die Werte der Allied Irish brachen um 28 Prozent auf 0,27 Euro ein. (dapd)