Krisen-GipfelEuro gerettet, Börsen jubeln
Es war ein Schaustück diplomatischer Winkelzüge, was da in der Nacht im Brüsseler Ratsgebäude ablief. Die Börsen in Frankfurt und Paris belohnten dies mit einem Plus von über 4 Prozent.

Der Deal ist für Merkel teuer erkauft.
Es war Rettung in letzter Minute. Angela Merkel musste mit den Euroländern hart kämpfen, um die Zustimmung zum «Pakt für Wachstum und Beschäftigung» zu erhalten, um damit wiederum die Zweidrittelmehrheit im Bundestag für den Fiskalpakt sicherzustellen, mit dem sie dann in Brüssel auftrumpfen will nach dem Motto: Seht her, Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen. Der Deal jedoch ist für Merkel teuer erkauft.
Italien und Spanien hatten Druck gemacht und im Bewusstsein der Merkel'schen Baustelle in Berlin mit hohem Einsatz gespielt. Das Wort «Erpressung» machte im Pressezentrum die Runde, der französische Staatspräsident François Hollande wurde danach gefragt und meinte nur lapidar: «Ich bin mir nicht sicher, ob Erpressung das richtige Wort dafür ist.»
In deutschen Regierungskreisen wurde der Eindruck einer nächtlichen Krisensitzung zurückgewiesen. Ein ranghoher Diplomat sprach von «umfassenden, aber konstruktiven Gesprächen.»
Eiserne Lady mit schwachen Stellen
Mehrfach hatte Merkel in der Vergangenheit gemahnt, Deutschlands Kraft sei nicht unendlich und damit die Finanzkraft gemeint. Nach dieser Brüsseler Nacht hat ihr Ausspruch noch eine andere Bedeutung bekommen: Deutschlands Kraft ist nicht so gross, dass es sich dauerhaft gegen die geballten Begehrlichkeiten anderer Eurostaaten wehren kann.
Staatenlenker wie der Brite David Cameron oder François Hollande werden es mit Interesse verfolgt haben, dass die «eiserne Lady» Merkel schwache Stellen, dass ihre Kraft Grenzen hat. Vielleicht hat die Kanzlerin aber auch einfach nur gemerkt, dass es ganz angenehm sein kann, nicht immer vorneweg marschieren zu müssen.
Börsen jubeln
Die Märkte reagierten auf die Einigung der Euro-Länder zunächst einmal mit Jubel, viele Börsen drehten ins Plus. Während der DAX nach dem EU-Gipfel zunächst ein stabiles Plus von etwa 2,5 Prozent gezeigt hatte, gingen die Kurse gegen Abend noch einmal stark nach oben. Um 16.45 Uhr stand der deutsche Leitindex mit einem Plus von 4 Prozent bei 6.393 Punkten. In Paris notierte der CAC 40 knapp über 4 Prozent. London reagierte mit Aufschlägen von 2,18 Prozent und in Zürich stieg der SMI auf 6062 Punkte, plus 1,27 Prozent. Auch in New York legte der Dow Jones um 1,74 Prozent zu. (dapd)
Spass mit Hollande, Fussball mit Monti
Auch wenn Angela Merkel beim EU-Gipfel von den Südeuropäern ordentlich in die Mangel genommen wurde, blieb offenbar nicht alles Zwischenmenschliche auf der Strecke. Mit dem neuen französischen Staatspräsidenten François Hollande habe sie sich jedenfalls nicht schlechter verstanden als mit dessen Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy, erzählte die Kanzlerin am Freitag in Brüssel: «Es war eine gute Zusammenarbeit mit François Hollande», sagte die CDU-Chefin und fügte dann zum allgemeinen Erheitern hinzu: «Er ist natürlich ein anderer Mensch, das kann man unschwer erkennen.» Ihr knappes Fazit zum deutsch-französischen Austausch: «Hat Spass gemacht!»
Mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti hat sich Merkel nach eigener Zählung «bestimmt an die zehn Mal an die Seite gestellt». Dabei sei es zuvorderst um politische Fragen gegangen, «und dann haben wir noch ein bisschen über Fussball gesprochen». Ob sich Merkel nach dem Halbfinal-Aus der deutschen Nationalelf gegen Italiens EM-Auswahl eine Gratulation abringen konnte, blieb offen. (AP)