Wo Sushi draufsteht...«Wir fanden Betrug, wo immer wir hinschauten»
Was dem Europäer das Pferd, ist dem Amerikaner der Fisch: Laut einer Studie werden ein Drittel der Meerestiere in den USA falsch deklariert, in Sushi-Restaurants sind es sogar 74 Prozent.
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Thun oder Schlangenmakrele? In Südkalifornien ist es sehr oft letzteres.
Mit Pferdefleisch haben Amerikaner nichts am Hut – aber sie lieben Fisch. Nach China sind die USA der zweitgrösste Markt für Meeresgetier. Und wo viel Geld zu verdienen ist, wird betrogen. Das dokumentiert, was die internationale Nonprofit-Organisation Oceana in ihrer neusten Untersuchung in den USA zu Tage gefördert hat: Nach DNA-Analysen von über 1200 Proben aus Läden, Restaurants und Sushi-Bars erhalten Fischliebhaber in einem Drittel der Fälle etwas anderes, als was ihnen vorgegaukelt wurde. Kampagnendirektorin Beth Lowell: «Wir fanden Betrug, wo immer wir hinschauten.»
Von der Ost- zur Westküste, im Norden wie im Süden der USA stiessen die Prüfer auf falsche Deklarationen. Laut Oceana ist die Betrugsquote in Südkalifornien am grössten: In und um Los Angeles waren beim Seafood 52 Prozent aller Labels falsch. In 74 Prozent der Fälle, wird dort falsch etikettiert, wo Genauigkeit am wichtigsten wäre: in Sushi-Restaurants. In New York City waren die Angaben schlicht in sämtlichen Proben unzutreffend.
«White Tuna» verursacht Durchfall
Mit 87 Prozent am häufigsten werden die beliebten «Red Snapper» durch minderwertige Ware ersetzt. Als Ersatz zählte Oceana nicht weniger als neun Arten. Darunter waren verwandte Fische der gleichen Familie, aber auch billige Farmprodukte wie Tilapia.
Arg sieht es auch beim Thunfisch aus, der vor allem in Sushi-Restaurants in grossen Mengen serviert wird. Der beliebte und wertvolle Fisch entpuppte sich laut Studie in 84 Prozent der Fälle als Buttermakrele, auch Escolar genannt, segelte aber stets unter dem edlen Titel «White Tuna». In diesem Fall hat der Etikettenschwindel gesundheitliche Folgen: Wer mehr als ein paar Unzen Escolar isst, riskiert laut Oceana-Wissenschaftlerin Kimberley Warner «akute und ernsthafte Verdauungsstörungen» – auf deutsch: Durchfall.
Gefährlich für Frauen und Kinder
Zum Teil wird in Restaurants mit Fantasiename operiert, weil sich der Fisch unter dem korrekten Namen nicht verkaufen liess. Der Patagonische Zahnfisch war wenig populär – bevor er den appetitlich tönenden Namen Chilenischer Seebarsch erhielt und prompt überfischt wurde. Zum Teil haben sich die neuen Namen eingebürgert und werden von der Kontrollbehörde FDA akzeptiert. Doch in den meisten Fällen macht das Lokal oder der Zwischenhandel damit Geld, dass Billigfische als Edelfische verkauft werden. So waren zwei Drittel der angeblichen Wildlachse in Wahrheit gezüchtet.
Schlimm ist der Betrug beim Halibut und Zackenbarsch («grouper»). Unter diesen Namen werden laut Oceana häufig Torpedobarsche und eine Makrelenart serviert – zwei Fische, die so viel Quecksilber enthalten, dass die FDA Kindern und Frauen im gebärfähigen Alter abrät, davon zu essen. In diesen Fällen verkehrt der Schwindel den Gesundheitsnutzen der Fische in sein Gegenteil.
Ganze Fische bestellen!
Dem Betrug ist schwierig beizukommen. Neunzig Prozent der in den USA konsumierten Fische und Meeresfrüchte sind importiert, aber die nationale Fischereibehörde der USA inspiziert davon nur etwa ein Prozent. Verschiedene Organisationen schlagen deshalb vor, ein System der Rückverfolgung einzurichten. Unter dem Titel «Boat to Table» sollen Gäste in einem Restaurant wissen können, wo der Fisch auf dem Tisch gefangen wurde.
Es wird jedoch lange dauern, bis ein solches System wirklich funktioniert. Deshalb gibt Oceana Fischliebhabern vorerst drei Ratschläge: Sie sollen erstens Fragen stellen. Zweitens müssen sie auf den Preis achten. Ist er unrealistisch niedrig, wird ihnen wahrscheinlich ein falscher Fisch vorgesetzt. Und schliesslich sollen sie wenn möglich kein Filet, sondern einen ganzem Fisch bestellen – da ist schummeln schwerer.
In der Schweiz kein Problem
Hierzulande können Sushi-Fans hingegen unbekümmert zugreifen: «Wir überprüfen stichprobenweise die Deklaration von Fisch. Falsche Kennzeichnungen kommen vor, jedoch sehr selten», erklärt Ferdinand Uehli, Leiter Gesundheitsschutz der Stadt Zürich. Die Buttermakrele sei eine Zeit lang ein Thema gewesen, wurde aber in der Schweiz kaum verkauft.