«Bauchlandungen werden nicht trainiert»

Aktualisiert

Notlandung in Warschau«Bauchlandungen werden nicht trainiert»

Er landete ohne Fahrwerk sicher auf dem Flughafen Warschau. Seither wird der Pilot gefeiert. Doch wie gefährlich ist eine solche Bauchlandung? Zwei Swiss-Piloten klären auf.

Adrian Müller
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Adrian Müller

Wenigstens nach Aussen gibt sich der polnische Kapitän Tadeusz Wrona betont cool: «Ich lande jetzt ohne Fahrwerk», funkt er trocken zum Fluglotsen. Im Inneren des Piloten muss es aber Sekunden vor dem Aufsetzen gebrodelt haben.

Denn schon ein kleiner Fehler hätte eine Katastrophe auslösen können: «Die grösste Gefahr bei einer Bauchlandung ist, dass das Flugzeug auseinander bricht», sagt der ehemalige MD-11-Kapitän und Swissair-Fluginstruktor Werner Walser zu 20 Minuten Online. Damit dies nicht passiere, müsse man die Maschine möglichst sanft und genau auf Pistenachse aufsetzen: «Es darf kein Fehler passieren, sonst rutscht die Maschine von der Piste.» Denn ohne Fahrwerk könne man den Flieger – einmal am Boden - kaum mehr steuern. «Dann spielt nur noch die Physik», so Walser.

Pilot schaltet Triebwerke ab

Im schlimmsten Fall rutscht so der vollbesetzte Passagierjet bei Tempo 200 auf einen Acker. «Dann graben sich die Triebwerke wie Baggerschaufeln in die Erde und fliegen weg. Die Gefahr einer Explosion ist dann sehr gross», erläutert der 71-jährige Ex-Kapitän und Schriftsteller. Um das Risiko eines Feuers zu reduzieren, würden deshalb kurz vor dem Aufsetzen durch den Copiloten beide Triebwerke komplett abgestellt.

In der vom TV live übertragenen Notlandung von Warschau ging glücklicherweise alles gut, in Polen ist Kapitän Wrona nun ein Held – wie Sully Sullenberger nach seiner geglückten Notwasserung auf dem Hudson River in New York. Ex-Swissair-Pilot Walser sieht dies nüchterner: «Eine solche Landung traute ich zu meiner Zeit bei der Swissair den meisten Piloten zu, das ist schliesslich deren Job.»

Bauchlandung per Checkliste

Wer aber denkt, dass Linienpiloten solche Notfälle zigfach im Simulator üben, täuscht sich: «Wie eine Notwasserung wird eine Bauchlandung nur in der theoretischen Ausbildung besprochen und nicht im Simulator trainiert», sagt Thomas Steffen, A340-Pilot der Swiss und Vorstandsmitglied des Pilotenverbands Aeropers. Allerdings verfüge man über Checklisten an Bord für alle möglichen Notfälle. «Die Wahrscheinlichkeit einer Bauchlandung ist zu klein, als sich ein Training lohnt», sagt denn auch Swissair-Instruktor Walser.

In seiner Swissair-Karriere hat er nur einen wirklich brenzligen Moment erlebt, als während eines Trainingsflugs mit einer MD-80 beinahe ein Vorflügel wegflog. «Am meisten Angst hatte ich aber vor eigenen Fehlern. Denn ein reifer Pilot hat immer Respekt vor sich selber.»

Kein Schaumteppich in Zürich

Die Flughafenfeuerwehr ist nicht mehr in der Lage, einen Schaumteppich auf den Pisten des Zürcher Flughafens zu legen. Vor wenigen Jahren wurde ein entsprechendes Spezialfahrzeug ausgemustert. «Studien haben gezeigt, dass das starke Blech der Flugzeuge eine Bauchlandung auch auf einer Betonpiste aushält», sagt Urs Eberle, Sprecher von Schutz & Rettung, zu 20 Minuten Online. Im Notfall würden in Kloten die Tanklöschfahrzeuge links und rechts der Piste dem havarierten Flugzeug hinterher rasen und mit Schaumkanonen allfällige Flammen löschen. Ohne Schaumteppich könne man die Piste zudem viel rascher wieder in Betrieb nehmen, darüber hinaus sei der Schaum sehr umweltschädlich. (am)

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