Wird Fliegen für Schweizer bald massiv teurer?

Aktualisiert

WWF will neue AbgabeWird Fliegen für Schweizer bald massiv teurer?

Fast nirgends wird so viel geflogen wie in der Schweiz – ganz zum Ärger des WWF. Eine Klimaabgabe soll das Fliegen nun künstlich verteuern. Für die Airlines wäre das fatal.

J. Büchi
von
J. Büchi
Schweizer fliegen gemäss einer Studie fast doppelt so häufig wie Deutsche, Franzosen oder Italiener.

Schweizer fliegen gemäss einer Studie fast doppelt so häufig wie Deutsche, Franzosen oder Italiener.

In diesen Tagen herrscht am Flughafen Zürich Hochbetrieb. Zu Beginn der Sommerferien wuseln bis zu 87'000 Passagiere durch die Gänge, Schalterhallen und Check-ins in Kloten. Das Bild bringt zum Ausdruck, was eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Zivilluftfahrt kürzlich belegt hat: Die Schweiz ist eine Vielflieger-Nation. Die Eidgenossen heben rund doppelt so häufig ab wie beispielsweise Deutsche, Franzosen oder Italiener.

Der WWF ist alarmiert: Die Flugbranche sei eine der umweltschädlichsten der Schweiz, warnt die Umweltorganisation. Trotzdem geniesse der Flugverkehr in der Schweiz zahlreiche Steuerprivilegien. Er zahle im Gegensatz zu Autofahrern oder Hausbesitzern weder Mehrwertsteuern noch eine CO2-Abgabe oder eine Mineralölsteuer.

Maximal 200 Franken Gebühren

Das will der WWF nun ändern. Er verlangt eine Klimaabgabe, wie sie in «sämtlichen umliegenden Ländern» sowie Grossbritannien und Irland bereits existiere. In Deutschland beispielsweise wird je nach Flugstrecke umgerechnet 9 bis 52 Franken Luftverkehrssteuer erhoben. In Grossbritannien beträgt die Air Passenger Duty in der Economy Class zwischen 18 und 135 Franken – und in der Business oder First Class das Doppelte. Ein solches Stufen-Modell schwebt dem WWF auch für die Schweiz vor. Die Passagiere der Economy Class sollen künftig zwischen 20 und 100 Franken Gebühren hinblättern, in höheren Flugklassen soll sich der Betrag verdoppeln. Das Geld könnte danach der Bevölkerung zurückerstattet oder in den globalen Klimaschutz investiert werden, schlägt die Umweltorganisation vor.

«Das Fliegen ist in der Schweiz heute ausserordentlich billig», kritisiert Patrick Hofstetter, Leiter Klima- und Energie bei WWF Schweiz. Es sei erwiesen, dass im Flugverkehr schon eine kleine Preisveränderung eine Verhaltensänderung bewirken könne. Deshalb wolle man mit der Klimaabgabe Anreize setzen, damit die Bevölkerung wieder vermehrt mit dem Zug in die Ferien fährt oder ihren Urlaub in der Schweiz verbringt.

Unterstützung von Grünen, SP und GLP

Applaus für die Idee gibt es aus dem rot-grünen Lager. Der Grüne Bastien Girod plädiert für eine Klimaabgabe, die nicht nur die CO2-Emissionen kompensiert, sondern auch den Tourismus in der Schweiz fördert. Seine Hoffnung: Mit der Betonung auf den Tourismusaspekt auch bürgerliche Parteien ins Boot holen zu können. Denn für ihn ist klar: «Wir können die Steuer nur durchsetzen, wenn wir eine breite politische Unterstützung erreichen.»

Zumindest bei den Grünliberalen und der SP stösst das Anliegen auf offene Ohren. «Die Forderung nach einer Klimaabgabe geht sicher die richtige Richtung», sagt der Zürcher GLP-Nationalrat Thomas Maier. Seine Partei würde einer solchen Lösung gerne Hand bieten – ob es sich bei einer nationalen Klimaabgabe aber um das richtige Instrument handelt, müsse sich noch zeigen. Die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher bestätigt, es würden verschiedene Gespräche laufen, um die Mobilität auf allen Ebenen ökologischer zu gestalten. Sie räumt aber ein, dass wohl noch «einige Gespräche» nötig sein werden, um im Parlament eine Mehrheit für das Anliegen gewinnen zu können.

«Nichts als grünes Geschrei»

Tatsächlich beissen die Befürworter der Abgabe im bürgerlichen Lager derzeit auf Granit. SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner, der in der Verkehrskommission sitzt, hält «rein gar nichts» von der WWF-Forderung. Auch die Aussicht darauf, dass der Regionaltourismus gefördert werden soll, ändert nichts daran. «Das ist nichts als grünes Geschrei, das völlig praxisfremd ist», wettert Giezendanner. Denn für einen Ausbau des Tourismus in der Schweiz müsste ihm zufolge wiederum viel Geld in Strassen und Schienen gesteckt werden.

Auch FDP-Frau Christine Egerszegi, Mitglied der ständerätlichen Verkehrskommission, winkt ab: «Man kann nicht einfach eine neue Abgabe aus dem Ärmel schütteln. Auf den Flugtickets hat es schon genug Steuern – man kann die Leute nicht immer mehr belasten.»

Airlines könnten abwandern

Hansjörg Bürgi, der Chefredaktor des Magazins SkyNews.ch, nimmt die Forderung des WWF ebenfalls mit Stirnrunzeln zur Kenntnis. «Die Schweiz ist keine Billig-Flug-Insel», stellt der Aviatik-Kenner klar. Im restlichen Europa seien Flüge deutlich günstiger als hierzulande. Für ihn wird die Klima-Debatte zudem zu einseitig geführt: Es werde ignoriert, dass moderne Flugzeuge sehr viel umweltfreundlicher seien als die früherer Generationen. «Die Airlines sind schliesslich selbst daran interessiert, möglichst wenig CO2 auszustossen. Denn so können sie ihre eigenen Kosten senken.»

Für den Fall, dass die geforderte Klimaabgabe eingeführt wird, malt Bürgi ein düsteres Bild: «Nicht nur der Passagier würde dafür bezahlen, sondern auch die sowieso schon gebeutelten europäischen Airlines. Ihnen entstünde dadurch noch zusätzlicher administrativer Aufwand.» Die Margen seien bereits heute so klein, dass die Fluggesellschaften zusätzliche Abgaben kaum mehr ertragen würden. Bürgi führt ein Beispiel aus Deutschland an: Dort seien nach Einführung der sogenannten Luftverkehrssteuer Airlines nach Belgien oder Luxemburg abgewandert. So habe die Klimaabgabe sogar zu einem Stellenabbau geführt. «Mit einer Klimaabgabe würde mit Kanonen auf Spatzen geschossen», bilanziert Bürgi.

Die Fluggesellschaft Swiss bestätigt auf Anfrage, dass eine nationale Klimaabgabe ihre Wettbewerbsposition «signifikant schwächen» würde. Aufgrund des starken Frankens und des hohen Lohnniveaus stehe die Swiss schon heute unter einem enormen Kostendruck. Eine zusätzliche Abgabe würde «die internationale Anbindung des Wirtschaftsstandorts Schweiz gefährden», heisst es. Die Swiss lehne eine solche Gebühr deshalb entschieden ab.

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