Künstliche Aschewolke über der Biskaya

Aktualisiert

Vulkan-Sensor getestetKünstliche Aschewolke über der Biskaya

Um einen Sensor zu testen, liess Easyjet eine Tonne Asche des Vulkans Eyjafiallajökall über dem Atlantik ausschütten. 20 Minuten war dabei, als das Experiment vorgestellt wurde.

von
K. Ramezani
Toulouse

So funktionierte der Testflug mit der künstlichen Aschewolke. (Video: digitalnewsagency.com)

100'000 Flüge gestrichen, fünf Millionen Passagiere sitzen fest: Erinnern sie sich an den Ausbruch des isländischen Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen (Eyjafiallajökall) im April 2010? Aus Angst vor der Aschewolke sperrten damals die Flugbehörden den Himmel über Europa für sechs Tage. Die Airlines erlitten Milliardenausfälle.

Mit umgerechnet 80 Millionen Franken besonders hart traf es Easyjet: «Das war der Tiefpunkt meiner Karriere», sagt Ian Davies, Chef-Ingenieur des Billigfliegers heute. Die Geschäftsleitung beauftragte ihn umgehend, die Easyjet-Flotte für den nächsten Vulkanausbruch fit zu machen. Im Internet stiess Davies auf den Wissenschaftler Fred Prata, der schon seit mehreren Jahren an einem Asche-Warnsystem tüftelte.

Wissenschaft, Airline und Hersteller spannen zusammen

Für Davies mag der Ausbruch des Eyjafiallajökall ein Tiefpunkt gewesen sein – für Prata war er ein Segen: Fortan finanzierten Easyjet und der Flugzeughersteller Airbus seine Forschungen. Aus diesem Schulterschluss zwischen Wissenschaft, Airline und Hersteller ist inzwischen ein funktionstüchtiger Prototyp eines Asche-Sensors hervorgegangen: AVOID (Airborne Volcanic Object Imaging Detector) wurde am Mittwoch am Airbus-Hauptsitz in Toulouse den Medien vorgestellt.

«Avoid» heisst auch «ausweichen» und genau das soll der Sensor dem Piloten im Hinblick auf Aschewolken erlauben. Er besteht im Wesentlichen aus einer Infrarotkamera mit einer Frequenz von 50 Bildern pro Sekunde, die Aschepartikel auch aus Kilometern Entfernung entdeckt. Gerne hätten ihn die Verantwortlichen an einem richtigen Vulkan getestet. Doch neben den erheblichen Gefahren waren die Kandidaten zu weit weg und die Überflugrechte im Fall eines Ausbruchs kurzfristig nicht zu bekommen. «Wir beschlossen, selbst eine Aschewolke zu erzeugen», sagt Charles Champion, Chef-Ingenieur von Airbus.

Eyjafiallajökall-Asche eingeflogen

Am 30. Oktober 2013 fand das ungewöhnliche Experiment über dem Golf von Biskaya statt. Zunächst verstreute ein Militär-Transportflugzeug eine Tonne original Asche des Eyjafiallajökall in der Atmosphäre, die Easyjet eigens zu diesem Zweck aus Island eingeflogen hatte. In einer Höhe von 2700 bis 3300 Meter entstand so eine unsichtbare Aschewolke mit einem Durchmesser von 2,8 Kilometern.

Airbus-Militärtransporter versprüht Asche:

Airbus-Militärtransporter versprüht Asche:

Als Testflugzeug diente ein Airbus A340-300, der mit einem AVOID-Sensor ausgerüstet worden war. Er leistete ganze Arbeit: Die künstliche Aschewolke, die von blossem Auge nicht zu erkennen war, entdeckte der Sensor bereits aus 60 Kilometern Entfernung. «Damit konnten wir zweifelsfrei belegen, dass AVOID auch unter realen Bedingungen funktioniert», sagt sein Erfinder Prata. Er funktioniert so gut, dass ein Kleinflugzeug, das mitten in die Wolke geschickt wurde, die gleich guten Daten lieferte.

Easyjet will Vorreiterrolle

Prata berechnete nach dem Ausbruch des Eyjafiallajökall aufrund von Satellitenbildern, dass der europäische Luftraum nur für ein paar Stunden, und nicht für sechs Tage hätte gesperrt werden müssen. Easyjet will in der Branche vorpreschen, beim nächsten Mal bereit sein. Zehn Airbus A320 will die Airline bis 2014 mit AVOID ausrüsten. Später soll Airbus den Asche-Sensor serienmässig einbauen. «Einer Aschewolke auszuweichen wird einmal so normal, wie schlechtes Wetter zu umfliegen», prophezeit Chef-Ingenieur Davies.

Das wäre wüschenswert, denn der nächste Vulkanausbruch auf Island kommt bestimmt. «Eyjafiallajökall 2010 war nicht einmal besonders heftig», warnt der ebenfalls nach Toulouse gereiste Vulkan-Experte Magnús Tumi Gudmundsson vom Institut für Geowissenschaften in Reykjavík. Zumal die beiden aktivsten Vulkane der Insel, Hekla und Katla, seit über hundert Jahren nicht mehr ausgebrochen sind und in den Worten Gudmundssons somit «fällig» sind. Die Frage ist nicht ob, sondern wann.

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