«Der Flughafen muss flexibel bleiben»

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Moritz Leuenberger«Der Flughafen muss flexibel bleiben»

Ex-Bundesrat und Präsident der Swiss-Luftfahrtstiftung Moritz Leuenberger macht sich gegen das Pistenausbau-Verbot am Flughafen Zürich stark. Im Interview sagt er weshalb.

von
R. Hodel / D. Pomper
Moritz Leuenberger ist klar gegen das Pistenausbau-Verbot, weil für ihn jegliche Flexibilität verloren ginge.

Moritz Leuenberger ist klar gegen das Pistenausbau-Verbot, weil für ihn jegliche Flexibilität verloren ginge.

Herr Leuenberger, wann sind Sie das letzte Mal geflogen?

Moritz Leuenberger: Vor drei Tagen bin ich nach Wien gereist. Dort habe ich einen Preis für mein Lebenswerk entgegengenommen. Ich wurde für hervorragende Leistungen im Bereich Infrastrukturen geehrt. Dazu gehören die Eisenbahn, die Strassen und eben auch der Flughafen.

Für diesen setzen Sie sich jetzt als Präsident der Swiss-Luftfahrtstiftung ein. Warum wehren Sie sich gegen ein Pistenausbau-Verbot in Kloten?

Damit die Swiss nicht aus Sicherheitsgründen einen Kapazitätsabbau hinnehmen muss. Es ist bereits mehrmals zu Beinahezusammenstössen auf dem Boden gekommen. Deswegen überlegt sich das Bundesamt für Zivilluftfahrt Bazl neue Sicherheitsvorschriften für Pisten. Können diese wegen der Annahme einer der beiden Initiativen nicht umgesetzt werden, kann es zu einem massiven Kapazitätsabbau kommen.

Die Initianten nehmen Ihnen allerdings nicht ganz ab, dass es Ihnen nur um den Sicherheitsaspekt geht, und nicht auch um den Kapazitätsausbau.

Uns von der Stiftung geht es nicht um Wachstum, sondern um die Flexibilität. Die beiden Initiativen würden den heutigen Zustand in der Verfassung verewigen. Schreibt uns das Bazl vor, die Pisten aus Sicherheitsgründen zu ändern, und können wir dem nicht nachkommen, könnte es gefährlich werden. Die Initianten könnten ja wirklich ruhig sein: Bei jeder Pistenveränderung gibt es die Möglichkeit des Referendums. Ohne ein Volksmehr geht sowieso nichts.

Dennoch: Wäre eine Kapazitätserweiterung und mehr Flugverkehr denn so schlimm?

Sofern es sich um einen nachhaltigen, umweltverträglichen Ausbau ohne zusätzliche Lärmbelastung handelt, dann nicht. Aber wie gesagt: Es geht uns nicht um mehr Flugbewegungen. So wäre es etwa möglich, Pisten zu ändern und die Kapazitäten oder die Lärmwerte zu begrenzen. So wird auch für zwei einspurige Röhren am Gotthard argumentiert. So würde die Sicherheit, nicht aber die Anzahl Autos erhöht.

Dank längeren Pisten könnten die Flugzeuge leiser starten, da sie eine geringere Motorenleistung benötigen. Dann wäre Ihrer Argumentation zufolge mehr Flugverkehr legitim.

Ja, aber das ist nicht unser Ziel.

Was für wirtschaftliche Konsequenzen hätte ein Kapazitätsabbau des Flugverkehrs für die Schweiz?

Mit der Annahme einer der Initiativen tritt nicht der Weltuntergang ein. Wenn aber das Bazl neue Sicherheitsverordnungen erlässt und wir nicht flexibel darauf reagieren können, dann käme es zu einer Reduktion, unter der die Swiss und der Flughafen massiv leiden würden. Die Swiss und zahlreiche Arbeitsplätze wären dann in Frage gestellt. Betriebe könnten abwandern. Alle Unternehmen, die sich hier angesiedelt haben, geben als Begründung die Nähe zum Flughafen und die vielen Direktverbindungen an. Mir geht es aber nicht nur um die Wirtschaft. Auch die Hochschulen, die Kultur und der Tourismus leben vom Flughafen. Künstler oder Hochschuldozenten sind dank dem Flughafen weltweit mobil.

Ein paar Tausend Hausbesitzer haben das Schicksal des Flughafens in der Hand. Ärgert sie das?

Eine Initiative ist ein Volksrecht. Aber ich mache einfach darauf aufmerksam, dass diese Initiativen unnötig und schädlich sind. Die Leute, die sich bedroht fühlen, können immer über einen möglichen Pistenausbau abstimmen. Infrastrukturen bringen einem Staat unglaubliche Vorteile in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Sie bringen aber natürlich auch Nachteile mit sich, worunter besonders die Anwohner leiden. Das war bei der Neat nicht anders. Dort hat man aber eine Einigung gefunden, da die Schweizer eine grosse Affinität zur Eisenbahn pflegen. Das ist beim Flugverkehr seit dem Swissair Grounding leider nicht mehr so.

Ihr Vorschlag, dass künftig das Schweizer Volk über Flughafenfragen abstimmen soll, ist im Kanton Zürich ja nicht gerade gut angekommen. Halten Sie dennoch daran fest?

Der Flughafen Zürich ist eine nationale Infrastruktur. Eigentlich müsste wie bei den Autobahnen oder dem Bahnnetz der Bund darüber entscheiden. Eine entsprechende Verfassungsänderung aber ist ein langwieriges Prozedere. Aber: Wenn jetzt «Ja» gestimmt wird, dann werden die Bemühungen in Bern sicher beschleunigt.

Also bringen diese Initiativen gar nichts, wenn der Bund die Entscheidungshoheit über den Flughafen bei einer Annahme sowieso an sich reisst?

So schnell würde das natürlich niemals gehen. Das ginge mindestens zehn Jahre – zehn Jahre, in denen sich die Schweiz sinnlos selber Handschellen anlegen würde.

Haben Sie denn Verständnis für die lärmgeplagte Bevölkerung?

Selbstverständlich! Dass man sich für die eigene Ruhe einsetzt, ist ganz klar.

Sie leben ja selber in der Nähe der Flugschneise.

Ich höre die Flugzeuge, aber ich leide nicht darunter. Ich habe mich auch nie als Opfer bezeichnet.

Stehen Sie denn auf Fluglärm?

Nein, das kann ich nicht gerade sagen. Aber Laubbläser finde ich schlimmer und unnötiger als Fluglärm. Ein Besen wäre da viel effizienter und ruhiger.

Ihr Flughafen-Lobbying hat nicht nur innerhalb ihrer Partei für Irritation gesorgt. GLP-Ständerätin Verena Diener etwa warf Ihnen vor, noch immer wegen dem missglückten Staatsvertrag frustriert zu sein. Der Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti sagt, ihnen fehle ein moralischer Kompass.

Hier wird mir ungerechtfertigterweise ein persönliches Motiv unterstellt. Die SP ist eine vielfältige Partei, in der viele Meinungen Platz finden. Die Stadtpräsidentin, die Regierungsräte und viele andere sind auch gegen die Initiativen, in der schweizerischen Partei sowieso.

Die Organisation Bürgerprotest Fluglärm Ost vermutet, dass Ihr Mandat bei Implenia, dem grössten Schweizer Baukonzern, Ihr wahres Motiv für den Wunsch nach einem weiteren Flughafenausbau ist.

Das ist lächerlich. Dieser Vorwurf ist eigentlich schon fast herzig. Wenn Implenia zu solchen Mitteln greifen müsste, um Aufträge an Land zu ziehen, wäre das ja eine sehr traurige Geschichte.

Wenn Sie zurückschauen: Haben Sie als Bundesrat alles unternommen, um der lärmgeplagten Bevölkerung das Leben einfacher zu machen?

Es war unbestritten ein Fehler, dass das Parlament damals den Staatsvertrag mit Deutschland abgelehnt hat, der den Schweizer Luftraum entlastet hätte. Ich aber habe alles getan, was in meiner Macht stand.

Wagen Sie eine Prognose für den kommenden Wahlsonntag?

Ich befürchte, es werden viele «Ja» stimmen, weil es eine Behördeninitiative ist – die Bürger vertrauen schliesslich den Behörden. Da müssten sie aber wissen, dass der Regierungsrat gegen die Initiativen ist. Jedenfalls hoffe ich auf die Vernunft der Stimmberechtigen.

Initiativen zum Pistenausbau-Verbot

Am Sonntag stimmen die Zürcher über zwei Vorlagen ab, die sich gegen einen Kapazitätsausbau am Flughafen Zürich wehren. Die Behördeninitiative einiger Gemeinden will den Kanton verpflichten, sich für einen Ausbaustopp einzusetzen. Der Verein Flugschneise Süd –Nein hat gegen die Initiative ein Referendum mit Gegenvorschlag eingereicht. Dieser will zusätzlich zum Pistenausbau-Verbot auch Flugrouten über dicht besiedeltem Gebiet untersagen.

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