«Schweizer Industrie blutet nach und nach aus»

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Strukturwandel«Schweizer Industrie blutet nach und nach aus»

Der Kahlschlag bei Alstom sei ein Zeichen für die generelle Verlagerung der Produktion, sagt KOF-Ökonom Yngve Abrahamsen. Die Frankenstärke verschärfe das noch.

I. Strassheim
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I. Strassheim

Der Technologiekonzern Alstom streicht in der Schweiz 1300 seiner 5500 Stellen. Seit der Aufgabe des Mindestkurses vor einem Jahr dürften in der Schweiz somit mindestens 12'000 Industriejobs verloren gegangen sein. Yngve Abrahamsen, Prognoseleiter bei der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, hält die Entindustrialisierung der Schweiz für kaum aufzuhalten.

Herr Abrahamsen*, hängt Alstoms Jobabbau mit der Übernahme durch General Electric (GE) oder mit der Frankenstärke zusammen?

Eine Zusammenlegung mit GE macht nur Sinn, wenn Firmenteile fusionieren und damit Einsparungen möglich sind. Und diese sogenannten Synergieeffekte bedeuten Arbeitsplatz-Abbau. Zudem ist das Marktumfeld für Gasenergie nicht gerade positiv. Es geht also auch um einen normalen Strukturwandel. Denjenigen, die ihren Job verlieren, hilft das allerdings nicht.

Aber hat die Industrie in der Schweiz überhaupt noch eine Chance?

Die Produktion wandert ab in Länder mit tieferen Löhnen. Je mehr Standardproduktion vorherrscht, desto grösser ist das Risiko hierfür. Das Ausbildungsniveau in EU-Ländern wie der Slowakei oder Ungarn ist zudem hoch – bei niedrigeren Löhnen.

Und was bleibt der Schweiz?

Hochqualifizierte Arbeit, Forschung und Entwicklung sowie Dienstleistungen.

Die Industrie stirbt aus?

Ständige Anpassungen mit Jobabbau gab es schon immer. Das Schwierige ist im Moment, dass keine neuen Stellen geschaffen werden, gerade im Maschinenbau.

Und wie dürfte es in fünf Jahren aussehen?

Mittelfristig wird es weiteren Stellenabbau in der Industrie geben. Die Schweizer Industrie blutet nach und nach aus.

Ist allein die Frankenstärke dafür verantwortlich?

Nein, in der Schweiz hat die Bedeutung der Industrie ohnehin seit langem abgenommen. Der Franken verschärft allerdings die Entwicklung. Zwischen 2003 und 2008, als der Franken schwach war, legten industrielle Arbeitsplätze zu. Die Abbauwelle setzte nachher wieder ein und verstärkt sich nun.

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