Macallan von 187810'000-Franken-Whisky ist definitiv eine Fälschung
Kurz nachdem ein Chinese in St. Moritz ein Glas Macallan für 9999 Franken getrunken hatte, kamen Zweifel auf. Nun sagt das Labor: Der Tropfen ist nicht echt.
Es war ein enorm weiter Weg, den Sandro Bernasconi kürzlich antrat, um sich zu entschuldigen: 8000 Kilometer, von St. Moritz nach Peking. Es war dem jungen Hotelier ein Anliegen, seinem chinesischen Gast persönlich mitzuteilen, dass der 10'000-Franken-Whisky, den dieser Ende Juli im Hotel Waldhaus getrunken und bezahlt hatte, eine Fälschung war.
«In China ist es üblich, dass man für seine Fehler geradesteht», sagt Bernasconi zu 20 Minuten. Zudem habe er dem Gast das Geld zurückbringen wollen, um zu unterstreichen, «dass die Schweizer ehrliche Leute sind und niemanden über den Tisch ziehen». Der junge Whisky-Liebhaber ist Wei Zhang, Chinas bestbezahlter Online-Autor, der unter dem Pseudonym Tang Jia San Shao Fantasy-Geschichten schreibt.
Als 20 Minuten im August berichtete, dass erstmals ein Gast vom Macallan-Whisky für 9999 Franken pro Glas getrunken habe, ging die Geschichte des weltweit teuersten Whiskys einmal um den Erdball. Doch schon kurz darauf monierten Kritiker, beim Destillat aus dem Jahr 1878 könnte es sich um eine Fälschung handeln.
Fälschung entstand um 1970
Aufgrund der Vorwürfe beschloss Hotelier Bernasconi, die Flasche in Schottland untersuchen zu lassen. Dafür kamen die Experten extra in die Schweiz und nahmen Proben. «Es handelt sich um eine moderne Fälschung», schreiben die Experten vom schottischen Speziallabor Rare Whisky 101. Sie stützen sich dabei auf eigene Untersuchungen sowie auf den Carbon-Dating-Test der Universität Oxford. Demnach besteht eine Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent, dass der Whisky in den Jahren 1970 bis 1972 gebrannt worden ist.
Das angewandte Carbon-Dating-Verfahren ähnelt jenem der Altersbestimmung bei Fossilien oder Knochen. Vereinfacht gesagt nehmen Lebewesen – im Fall von Whisky ist es die Gerste – radioaktive Elemente auf, die sich dann zersetzen. Der Test misst die Reststrahlung und ermittelt davon ausgehend eine Periode möglicher Entstehungsjahre.
Skepsis bei Macallan mit ganz hohem Alter
Im Rahmen seiner Entschuldigungsreise traf Bernasconi den chinesischen Gast zum Abendessen. «Wir sprachen zuerst allgemein über Whisky, dann wollte er die Untersuchungsresultate sehen», erzählt der Hotelier. Zum Glück sei der Whisky-Fan dem Hotel überhaupt nicht böse gewesen und habe gesagt, dass das Ergebnis für ihn keine Rolle spiele. Er schätze die Ehrlichkeit und habe den Whisky-Abend in St. Moritz genossen.
Wie gross das Problem mit gefälschten Whiskys ist, kann David Robertson vom Labor RW101 nicht sagen. Seine Firma ist in den letzten Jahren aber immer wieder von Auktionshäusern eingeladen worden, verdächtige Flaschen zu bewerten. Bei Destillaten aus der Zeit vor 1900 rät Robertson, sie überprüfen zu lassen, selbst dann, wenn die Flasche geöffnet ist. «Höchstwahrscheinlich sind Flaschen dieses Alters nicht echt», so der Experte.
Fünfstelliger Betrag bezahlt
Die Macallan-1878-Flasche hatte Sandro Bernasconis Vater, der frühere Hotel-Gastgeber Claudio Bernasconi, vor 25 Jahren für einen fünfstelligen Betrag gekauft. Danach wurde die Flasche eingelagert und auf der Barkarte gelistet: «Während der ganzen Zeit hatten wir nie den Verdacht, dass es sich nicht um ein Original handeln könnte», sagt Bernasconi.
Herr Bernasconi, wie sehr schmerzt das Resultat, dass der Whisky definitiv eine Fälschung ist?
Wir hofften sehr, dass der Whisky echt ist. Dann hätte die Flasche einige 100'000 Franken Wert gehabt. Klar bin ich nun etwas enttäuscht, aber wir wollten die Wahrheit wissen. Wichtig und sehr schön für uns ist, dass der Gast unserem Hotel nicht böse ist.
Die Flasche hat Ihnen bis jetzt viel positives Medienecho gebracht. Wird sich das nun ändern?
Ich hoffe nicht, dass die Presse negativ reagiert. Ich habe immer versucht, offen und ehrlich zu sein. Wir wollten nie eine Fälschung verkaufen. Ich hoffe nicht, dass die Fälschung nun unserem Image schadet.
Werden Sie versuchen, den Verkäufer der Flasche zu verklagen? Ihr Vater kaufte den Tropfen vor 25 Jahren.
Wir sind mit einem Anwalt daran, abzuklären, ob wir den Verkäufer anzeigen können und eine Chance besteht, dass uns der fünfstellige Kaufpreis zurückerstattet wird. Noch ist aber nichts entschieden. Klar ist nur, dass es den Händler noch gibt.
Sie haben noch anderen teuren Whisky bei sich im Hotel. Besteht der Verdacht auf weitere Fälschungen?
Davon ist nicht auszugehen. Es war die einzige Flasche aus dem 19. Jahrhundert, die wir an der Bar haben.