Bilderberg-Stürmer droht weitere Abfuhr

Aktualisiert

Zutritt verweigertBilderberg-Stürmer droht weitere Abfuhr

Am Samstag wollte SVP-Nationalrat Baettig die Bilderberg-Konferenz in St. Moritz besuchen – und wurde abgewiesen. Nun verlangt er von Bundesrätin Leuthard Antworten.

von
Ruedi Studer
Bern
Der jurassische SVP-Nationalrat Dominique Baettig durfte nicht an die Bilderberg-Konferenz - und ärgert sich darüber.

Der jurassische SVP-Nationalrat Dominique Baettig durfte nicht an die Bilderberg-Konferenz - und ärgert sich darüber.

Seit dem Wochenende wird SVP-Nationalrat Dominique Baettig als kleiner Held gefeiert. Zumindest in den Kreisen der Bilderberg-Gegner und Verschwörungstheoretiker. Am Samstag marschierte er nach einem Treffen von Bilderberg-Kritikern nämlich zum «Suvretta House» in St. Moritz, wo sich einflussreiche Personen aus Wirtschaft, Politik, Militär, Adel und Diplomatie zur sogenannten Bilderberg-Konferenz trafen. Der Jurassier wollte die Hotel-Bar besuchen, um den einen oder andern Konferenzteilnehmer auf die Konferenz und deren Diskussionsthemen anzusprechen.

Von den Sicherheitsleuten wurde Baettig jedoch abgewiesen. «Uneingeladen kommt selbst ein gewählter Volksvertreter nicht rein», bilanziert der 57-Jährige gegenüber 20 Minuten Online. Dabei ging es ihm nicht darum, das Treffen zu stören, sondern vielmehr darum, Transparenz zu schaffen. Für den SVP-Nationalrat und Globalisierungskritiker ist die Bilderberg-Konferenz nämlich eine «Konklave der Mächtigen der Welt», ja gar eine «ungewählte Schatten-Weltregierung». Er befürchtet, dass an diesen Treffen der Gang der Weltgeschichte bestimmt werde. «Es sind fast nur Vertreter von Nato-Staaten – und diese diskutieren über globale Strategien, über die Globalisierung der Wirtschaft, arbeiten an einer Weltwährung und beschliessen vielleicht sogar Kriege.»

Das passt dem aufmüpfigen Jurassier überhaupt nicht. «Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, sondern fordere Transparenz», sagt Baettig. «Das Volk hat ein Recht zu wissen, was dort diskutiert wird und passiert.» Angesichts der Teilnehmer – darunter Deutsche-Bank-CEO Joe Ackermann, Königin Beatrix von Holland oder der deutsche Ex-Finanzminister Peer Steinbrück – handle es sich nicht bloss um eine private Veranstaltung. Vor allem kommt für Baettig nicht in Frage, dass sich «Kriegsnationen in der neutralen Schweiz treffen».

«Diplomatischer Verrat»

Konferenzteilnehmerin und Bundesrätin Doris Leuthard fühlt Baettig deshalb in der nationalrätlichen Fragestunde vom Dienstag auf den Zahn. Konkret will er wissen, was sie von einer Aussage des Amerikaners David Rockefeller hält, der an der Bilderberg-Konferenz von 1991 festhielt, dass «eine supranationale Souveränität einer intellektuellen Elite und der Weltbanker» der nationalen Selbstbestimmung, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten praktiziert wurde, vorzuziehen sei. Solche Aussagen bringen Baettig auf die Palme.

Da er von Leuthard keine befriedigende Antwort auf seine Frage erwartet, ist für ihn jetzt schon klar, dass er Bilderberg mit weiteren Vorstössen zum Thema machen wird. So will der Nationalrat wissen, wie sich die Regierung zur Wegweisung des italienischen EU-Abgeordneten Mario Borghezio stellt, der ebenfalls uneingeladen die Konferenz besuchen wollte. Weiter will er eruieren, weshalb ausgerechnet die Schweiz als Tagungsort ausgewählt wurde. Und schliesslich soll Leuthard ihren «diplomatischen Verrat an der Unabhängigkeit der Schweiz» erklären.

Unkonventionelle Vorstösse

Mit seinem Anti-Bilderberg-Auftritt ist dem vierfachen Vater Baettig internationale Aufmerksamkeit gewiss. Nicht zu ersten Mal: Schon mit seinem Vorschlag, die grenznahen Regionen zum Anschluss an die Schweiz einzuladen, sorgte der Jurassier für Aufsehen. Auch sonst fällt er immer wieder mit umstrittenen Vorstössen auf: So forderte er den Bundesrat auf, den früheren US-Präsidenten George W. Bush wegen Kriegsverbrechen zu verhaften. Andernorts verglich er Ausländer mit Insekten und Pflanzen oder verlangte die Beibehaltung des Inzestverbots.

Unkonventionell waren auch seine Motion für die «proaktive Förderung von Schweizer Trüffelpilzen» oder sein Vorschlag für einen nationalen Glücksindex. Letzteres trug im gar eine Nomination für den «Rostigen Paragrafen» der IG Freiheit für das «dümmste, unnötigste Gesetz» ein – den er dann aber doch nicht gewann.

Eigenständiger Kopf

In der SVP-Fraktion gilt Baettig als eigenständiger, aber auch eigenwilliger Kopf: «Er neigt manchmal zu Entscheiden, die nicht auf der Parteilinie liegen», sagt der Zürcher SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi, der mit Baettig in der Sozial- und Gesundheitskommission sitzt. Der Psychiater ist ihm vor allem in Gesundheitsfragen etwas «zu arztfreundlich und unberechenbar». Allerdings ist die Aussenpolitik Baettigs Steckenpferd. Und da, so Bortluzzi, sei der Jurassier «ein intensiver Befüworter der SVP-Linie – bis zur letzten Konsequenz».

Baettigs politische Gegnerin Silvia Schenker (SP/BS) wiederum lobt seinen «unabhängigen Geist innerhalb der SVP-Fraktion». Inhaltlich haben die beiden das Heu trotzdem nicht auf der gleichen Bühne: «Gerade für Psychischkranke würde ich von ihm als Psychiater mehr Verständnis erwarten.»

Wiederwahl gefährdet

Im Herbst wird Baettig versuchen, sein 2007 überraschend erobertes Nationalratsmandat zu verteidigen. Ob dies dem passionierten Jäger gelingen wird, ist mehr als fraglich. Denn vor vier Jahren kam ihm eine spezielle Konstellation zugute: Die jurassische FDP ging mit der SVP eine Listenverbindung ein in der Hoffnung, einen der beiden jurassischen Nationalratssitze zu erobern. CVP und Christlich-Soziale wiederum marschierten getrennt. Das Kalkül ging nicht auf: Die SVP lag mit 13,7 Prozent Wähleranteil 0,3 Prozent vor der FDP – und schnappte dank der Listenverbindung der CVP, die 25 Prozent erreichte, den Sitz weg.

Dieses Jahr darf Baettig auf keine derartige Konstellation hoffen. Ebenso wenig, dass die SVP aus alleiniger Kraft die Sitzverteidigung schafft – musste die Partei doch bei den Regierungsratswahlen eine Niederlage einstecken. Baettig schaffte nur Platz 11 von 13 Kandidaten, immerhin aber einen Stimmenanteil von 15,8 Prozent. Dieser dürfte für eine Wiederwahl allerdings nicht reichen. Trotzdem gibt der Psychiater aus Delémont nicht auf: «Ich habe 2007 die Überraschung geschafft, vielleicht ist auch dieses Jahr wieder eine Überraschung möglich.»

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