Fleisch-Skandal bei Coop«Abgelaufenes Fleisch wird weiterverarbeitet»
In mindestens 24 Coop-Filialen wurde regelmässig abgelaufenes Fleisch verkauft. Wie die Metzger ihre Kunden mit Marinade und «Poulet-Einbürgerungen» täuschen mussten, gestanden sie dem «Kassensturz».

Aus der Packung ins Buffet: Abgelaufenes Fleisch ist gemäss «Kassensturz» in 24 Filialen von Coop im offen Verkauf gelandet - «regelmässig», wie ehemalige Mitarbeiter bekennen.
Anfang Oktober packte ein Ex-Metzger von Coop gegenüber dem «Kassensturz» aus: Der Fribourger gestand, dass in seiner Filiale regelmässig abgelaufenes Fleisch aus der Verpackung genommen und als Frischfleisch am Buffet verkauft wurde. «Alles nicht wahr», wehrte sich Coop. Nun haben sich weitere Coop-Mitarbeitende beim «Kassensturz» gemeldet. «Es wird in den meisten Coop-Filialen so gehandhabt, dass abgelaufene Ware noch verwertet wird», sagt ein Metzger in der Sendung vom Dienstagabend.
Der Informant – welcher anonym bleiben wollte - stand gemäss «Kassensturz» acht Jahre lang in verschiedenen Filialen hinter der Coop-Frischfleischtheke. «Ist das Fleisch einmal ausgepackt und die Verpackung mit dem Ablaufdatum weg», sagt er, «weiss niemand mehr, wie alt das Fleisch ist.»
24 Filialen in 7 Kantonen betroffen
Wie der «Kassensturz» berichtet, haben sich insgesamt sieben ehemalige oder aktuelle Coop-Mitarbeitende gemeldet. «Ihre Geschichten sind alle ähnlich: Sie mussten alle im Frischfleischbuffet abgelaufenes Fleisch verkaufen», schreibt die Konsumenten-Sendung auf ihrer Webseite. Es seien Kundentäuschungen in 24 Coop-Filialen in den Kantonen Aargau, Bern, Glarus, Schwyz, St. Gallen, Uri und Zürich gemeldet worden.
Der Verkauf von abgelaufenem Fleisch habe System gehabt, sagt ein weiterer Insider. Gemäss «Kassensturz» war er Filialleiter bei Coop. Es gebe finanzielle Anreize für die Kundentäuschung und der Verkaufsdruck von oben werde immer stärker, sagt er. «Wenn man zu viele Abschreiber braucht und die Vorgaben von Coop überzieht, gibt es Ende Jahr keinen Bonus.»
Chefmetzger und Filialleiter erhalten 15 Prozent des Jahresbruttolohns als Erfolgsbeteiligung. Ein Teil davon ist abhängig davon, wie viel Fleisch sie abschreiben oder wegwerfen. «Im Kader ist es ein offenes Geheimnis, dass man über die Grauzone hinausgeht. Es kam nie die Weisung von oben, dass man das nicht machen darf», sagt der ehemalige Filialleiter. «Um den Bonus zu kassieren, versuchte man das Maximale herauszuholen, möglichst wenig wegzuwerfen.»
«Mit roter Marinade sieht alles frisch aus»
Ein weiteren Metzger aus dem Kanton Zürich erzählte dem «Kassensturz», dass das abgelaufene Fleisch aus der Selbstbedienung jeweils in einer Kiste gesammelt worden sei. «Meistens donnerstags haben wir dieses Fleisch weiterverarbeitet. Schweinefilet haben wir mit Speck umwickelt, und wenn das Fleisch angelaufen ist, haben wir es mariniert.» Rote Marinade sei am besten gewesen, das sehe immer frisch aus. Die Weisungen seien jeweils vom Chefmetzger gekommen, so der Mann im Kassensturz-Beitrag weiter. Wer sich gewehrt habe, sei intern schikaniert worden.
Auch bei der Herkunft des Fleisches musste der Coop-Angestellte hinter dem Buffet Kunden täuschen, zum Beispiel Import-Poulet mit Schweizer Poulet vermischen und als Schweizer Poulet verkaufen. «Das Fleisch wurde sozusagen eingebürgert», sagt der anonyme Metzger.
53 Metzger entlassen
Coop gibt Fehler zu und hat reagiert. Seit der erste Fall in Fribourg öffentlich wurde, hat der Detailhändler die internen Vorschriften verschärft: Ab sofort darf demnach kein abgepacktes Fleisch ausgepackt werden. Hinzu kommt, dass neu «eine Nulltoleranz» gilt, wie Philipp Wyss, zukünftiger Vizechef von Coop Schweiz, in der Sendung «Kassensturz» sagt. In den letzten 12 Monaten sind gemäss Wyss 53 Metzgerei-Angestellte entlassen worden. Nicht alle wegen Verfehlungen, wie Wyss in der Sendung betonte.
Der zukünftige Vizechef von Coop zeigte sich betroffen, dass die Mitarbeiter die Verstösse nicht intern gemeldet hätten. Deshalb richtet Coop ab dieser Woche eine Ombudsstelle ein, an die sich Coop-Mitarbeitende wenden können. «Ich versichere, dass jeder Fall ernst genommen wird und niemand hat mit Konsequenzen zu rechnen», sagt Wyss.
Er bestreitet den Zusammenhang mit den Boni für viel verkauftes Fleisch und wenig Fleisch-Abfall und wird an der Erfolgsbeteiligung festhalten. «Es kann nicht sein, dass Metzger wegen 1000 Franken ihren Job aufs Spiel setzen.»