Industrie 4.0So schützen Sie sich vor der Roboter-Konkurrenz
Roboter werden die Arbeitswelt grundlegend verändern. Zehntausende Schweizer Jobs könnten verschwinden. Was kann man tun, um nicht verdrängt zu werden?
Die Wissenschaft ist überzeugt: Roboter werden vielen Arbeitern und Angestellten den Arbeitsplatz wegnehmen. Hinzu kommt die fortschreitende Digitalisierung von Dienstleistungen, die ebenfalls Stellen verschwinden lässt. Laut Oliver Bendel, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), kann von den Robotern alles, «was mit manueller Arbeit zu tun hat, nach und nach ersetzt werden». Moritz Hämmerle vom Fraunhofer-Institut bestätigt: «Die sehr formalisierten und stark repetitiven Tätigkeiten stehen unter Druck, von intelligenten Maschinen ersetzt zu werden.»
Das heisst: Fabrikhallen, früher dicht belegt von Arbeitern, die Bauteile im Akkord bearbeitet oder montiert haben, finden sich heute in fast keinem Betrieb mehr. «Roboter und automatisierte flexible Fertigungssysteme haben ihre Arbeit übernommen. Der Lagerist ist bald Geschichte, ersetzt durch vernetzte Lagersysteme», so Markus Krack von der FHNW.
Höhere Anforderungen
Wie schützen sich Arbeitnehmer davor, von einem Roboter ersetzt zu werden? Hämmerle sagt: Die Industrie 4.0
erhöht die Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter. Diese bräuchten mehr Digitalkompetenz sowie die Fähigkeit zum Austausch mit Maschinen. Krack empfiehlt Arbeitnehmern daher, sich in Bereichen wie Informatik, Automation oder Prozessmanagement weiterzubilden. «Lebenslanges Lernen ist ein Muss, um in der neuen Arbeitswelt zu überleben.»
Dabei sei ein Studium nicht zwangsläufig notwendig für den beruflichen Erfolg, erklärt Mechatronik-Professor Wernher van de Venn: Eine gute Berufsbildung ist weiterhin eine passende Voraussetzung für eine Tätigkeit in der Industrie. Grosses Potenzial haben sicher Jobs in den Bereichen Technik, IT, Betriebswirtschaft und Logistik.»
Gewisse Jobs werden trotzdem verschwinden, da helfe auch keine Fortbildung, erklärt Bendel. Wer noch vor der Ausbildung steht, der solle bedenken: «In den nächsten Jahren braucht es gut ausgebildete Informatiker, Wirtschaftsinformatiker, Robotiker und Experten für Künstliche Intelligenz.» Doch auch die Geisteswissenschaftler werden im künftig von Automatisierung geprägten Zeitalter noch benötigt.
Auch neue Jobs entstehen
Auch Bürojobs bei Banken könnten bald wegfallen: «Bereits heute führt die Digitalisierung und Automatisierung zum Abbau diverser Arbeitsplätze im Finanzwesen», erklärt Fintech-Investor Marc P. Bernegger. Langfristig seien über 50 Prozent der heutigen Jobs gefährdet, da viele Abläufe bei Banken ohne persönlichen Kundenkontakt automatisiert werden könnten.
Bernegger erkennt in der Digitalisierung und Industrie 4.0 auch eine Chance. Bei technologischen Sprüngen wie der Industrie 4.0 entstünden auch neue Berufsfelder. «Ich glaube, dass es hilft, sich mit Themen zu beschäftigen, für die man sich persönlich interessiert und die man mit einer gewissen Passion verfolgt.»
Veränderungen geschehen nicht über Nacht
Auch FHNW-Professor Hannes Lubich beschwichtigt: «Veränderungen geschehen nicht über Nacht.» Arbeitgeber hätten bei guter Planung genügend Zeit, sich auf die Veränderungen durch die Industrie 4.0 vorzubereiten. Reisebüros und Buchhandlungen hätten gezeigt, dass durch Umstellungen auch Mehrwerte für Kunden geschaffen werden können.
Eine Position, die Bernhard Isenschmid, Technologie- und Innovationsexperte beim Hightech Zentrum Aargau, unterstützt: «Der Mensch wird nicht aus der Arbeitswelt verdrängt werden. Engagierte Mitarbeiter spielen nach wie vor eine zentrale Rolle.»
Was ist die Industrie 4.0
«Industrie 4.0» ist ein Begriff, der auf die vierte industrielle Revolution verweist. Viele althergebrachte, typische Jobs könnten dieser zum Opfer fallen und neu von Maschinen und vor allem Robotern ersetzt werden. Kern der Industrie 4.0 ist laut FHNW-Professor Oliver Bendel die Smart Factory. Es handelt sich dabei um eine intelligente, von Robotern betriebene Fabrik. Sie zeichnet sich durch ein hohes Mass an Automatisierung und Flexibilisierung aus und ist somit in der Lage, besser auf Kundenwünsche einzugehen, ohne dass dafür Arbeiter am Fliessband stehen. Das WEF geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass die Industrie 4.0 bis 2020 weltweit fünf Millionen Jobs verschwinden lassen könnte.