Das dubiose Geschäft der Ticket-Verkäufer

Aktualisiert

Lukrative KonzerteDas dubiose Geschäft der Ticket-Verkäufer

Wer ein Konzertticket für Rammstein und Co. will, braucht pures Glück – eigentlich. Eine handvoll Ticketdealer hebelt den Markt seit Jahren aus.

von
Antonio Fumagalli
So glücklich geht der Ticketkauf für Konzerte von Topacts längst nicht für alle aus - zumindest nicht über die offiziellen Kanäle.

So glücklich geht der Ticketkauf für Konzerte von Topacts längst nicht für alle aus - zumindest nicht über die offiziellen Kanäle.

Kündigt ein musikalischer Topact ein Konzert in der Schweiz an, ist der Knatsch um die Tickets programmiert: An den offiziellen Verkaufsstellen von Ticketcorner sind die Karten innert Minutenfrist ausverkauft, kurz darauf tauchen sie im Internet zu teils massiv überhöhten Preisen wieder auf. So geschehen bei AC/DC, U2, Red Hot Chilli Peppers und erst kürzlich bei Rammstein – die Liste liesse sich fast beliebig erweitern.

«Die Situation ist desolat», sagt Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). «Wie die Unmengen an Tickets zu den einschlägig bekannten Ticketanbietern im Internet gelangen, das wirft viele Fragen auf.» Gemeint ist damit – neben Auktionsbörsen wie eBay oder Ricardo – beispielsweise das Online-Portal «Alltickets.ch». Rammstein-Tickets sind dort in der Tat noch zu haben, allerdings zu einem stolzen Preis: Nicht weniger als 349 Franken muss berappen, wer die Rocker im Dezember – notabene auf einem Stehplatz – live erleben möchte. Im Erstverkauf bei Ticketcorner hatte das gleiche Angebot noch 85 Franken gekostet.

Die zentrale Frage bleibt: Wie ist es möglich, dass einige Personen offensichtlich gleich dutzendfach Tickets für Topacts beziehen können, während diese für Normalsterbliche ein ewiger Traum bleiben? «Alltickets.ch», einer der grossen Drittanbieter in der Schweiz, erwirbt seine Karten über ein Netz von Zwischenhändlern. «Von welchem Vorverkaufskanal diese die Original-Tickets haben, weiss ich letztlich auch nicht», sagt Geschäftsführer Thomas Flückiger gegenüber 20 Minuten Online. Sara Stalder hat eine Vermutung: «Ich schliesse nicht aus, dass Personen aus dem Dunstkreis des Band-Managements oder der Ticketverkäufer gezielt Karten streuen, um damit einen höheren Verkaufspreis zu erzielen.»

Nur ein einziges Mal ein Ticket ergattert

Ihre Aussage stützt die SKS-Geschäftsleiterin auf mehrmalige Testkäufe, bei welchen sie mit bis zu zehn Personen über verschiedene Verkaufskanäle zu Tickets kommen wollte – und mit einer einzigen Ausnahme immer leer ausging. «Kann es wirklich sein, dass wir so viel weniger Glück hatten als diejenigen, die sich gleich mit mehreren Tickets eindecken konnten?», fragt sie sich. «Ein völlig unhaltbarer Vorwurf», sagt Stefan Epli von Ticketcorner, «sogar ich muss die ganz normalen Verkaufskanäle benutzen, wenn ich an ein Ticket kommen will. Bei Rammstein hatte ich zum Beispiel ebenfalls Pech.»

Flückiger seinerseits betont, dass sein Geschäft rechtlich über alle Zweifel erhaben sei – und dass er mit dem Ticket-Weiterverkauf keineswegs das grosse Geld mache. «Unsere Marge ist nicht fix, aber sie übersteigt im Schnitt kaum 15 Prozent des Verkaufspreises.» Geheuscht werde, wenn schon, bei seinen Zulieferern – wobei sich darunter nur wenige professionelle Händler befänden. «Viele Angebote kriegen wir von Privatpersonen, die einfach ein oder zwei Tickets zu viel gekauft haben», so der «Alltickets.ch»-Geschäftsführer.

Konsumentenschutz ist empört

Im Gespräch teilt Flückiger mit, dass er mit diesen Personen mitfühlen kann, welche kein Ticket ergattert haben. Da er wisse, dass viele Fans in den ersten Stunden nach dem offiziellen Ende des Verkaufs meist Pankikkäufe tätigen, habe er die Angebote für Rammstein erst einige Stunden später aufgeschaltet.

Geht es nach der Stiftung für Konsumentenschutz, sollten solche Machenschaften unterbunden werden: «Die Leidtragenden sind die wahren Fans, die sich zu solch überhöhten Preisen ein Ticket schlicht nicht leisten können», so Geschäftsleiterin Stalder. Dabei gebe es durchaus Möglichkeiten, diesen Zwischenhandel auszutrocknen oder zumindest einzuschränken: Der Schalterhandel von Tickets müsse zeitversetzt zum Onlineverkauf gestartet werden. Vor allem aber sollen Tickets – wie bei Sportgrossveranstaltungen üblich – nur noch mit eingetragenem Namen des Käufers und in stark limitierter Anzahl pro Person abgegeben werden dürfen.

Persönliche Tickets: Lösung oder Unsinn?

Stefan Epli vom Ticketcorner winkt ab: «Das gäbe ein riesiges Chaos. Stellen Sie sich mal vor, wie man die Konzertbesucher verärgern würde, wenn am Eingang der Eventstätte der Personalausweis jedes Einzelnen geprüft werden müsste.» Der Vergleich mit Sportstadien sei überdies nicht zulässig, da gebe es viel mehr Schleusen als in geschlossenen Musikhallen.

Ins gleiche Horn bläst auch der Bundesrat. Auf eine entsprechende Interpellation von Nationalrätin Hildegard Fässler (SP) antwortete er im letzten Frühling, dass in Bezug auf personalisierte Tickets «namentlich der Wunsch des Kunden nach Anonymität» nicht vergessen werden dürfe – insbesondere, da dieser nicht wisse, was mit seinen Daten danach geschehe. Kurz: Es gebe derzeit «keine Veranlassung, Massnahmen gegen den Graumarkt zu ergreifen».

«Konzertticket ist ein Luxusgut»

Der Bundesrat schliesst seine Antwort mit dem Hinweis, dass die Verantwortung auch bei den Kunden liege. Niemand sei gezwungen, «für eine bestimmte Konzert- oder Sportveranstaltung […] Fantasiepreise zu bezahlen». Ähnlich sieht es Thomas Flückiger von «Alltickets.ch»: «Ein Konzertticket ist ein Luxusgut, welches Preisschwankungen unterlegen ist. Wer den aktuellen Marktpreis nicht bezahlen möchte, sollte sich CDs anhören oder Konzerte der gleichen Band im Ausland besuchen.»

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