Schweizerinnen gefragtEU-Frauenquote hat fatale Folgen für die Schweiz
Plötzlich werden Schweizer Managerinnen vom Ausland umworben: Die EU will mindestens 40 Prozent Frauen in Verwaltungsräten – der hiesige Frauenmangel wird sich weiter verschärfen.
Am Mittwochmorgen um 8.56 Uhr twitterte EU-Kommissarin Viviane Reding: «Geschafft. EU-Kommission hat meinen Vorschlag für ein EU-Gesetz verabschiedet, damit 40% der Aufsichtsräte bis 2020 mit Frauen besetzt sind.»
Das von der Brüsseler Behörde verabschiedete Gesetz muss zwar noch vom EU-Parlament und von den Mitgliedsstaaten angenommen werden, doch mit dem Entscheid hat Viviane Reding einen grossen persönlichen Sieg errungen. Für männerdominierte Konzerne sei der Entscheid «ein Schuss vor den Bug», schrieb die Nachrichtenagentur AP. Diese werden bei Inkrafttreten des Gesetzes gebüsst, sollten sie die Frauenquote nicht erreichen.
«Problem wird sich mit gesetzlicher Quote verschärfen»
Um sich die Zustimmung zu ihrem Gesetz zu sichern, ist Kommissarin Reding allerdings Kompromisse eingegangen. Geschäftsleitungen wurden von der Quote ausgenommen, der Sanktionskatalog entschärft. Länder, die schon wirksame Regeln zur Frauenförderung haben, sollen zudem von der Quotenpflicht ausgenommen werden.
Dennoch könnte nicht nur die EU selber, sondern auch die Schweiz mit der Quote auf ein grösseres Problem zusteuern: Gemäss Matthias Mölleney, Leiter des Centers für Personalmanagement an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich, stehen bereits heute zu wenig Frauen für Führungspositionen zur Verfügung. «Dieses Problem wird sich mit der Einführung einer gesetzlichen Quote noch verschärfen», sagt Mölleney.
Schweizer Frauen in der EU gefragt
Für die Schweiz würde das bedeuten: Führungserfahrene Frauen könnten in EU-Firmen abwandern. Dort dürften sie künftig sehr gesucht sein. «Weibliche Führungskräfte aus der Schweiz werden sich überlegen, ob sie für einen gut bezahlten Job ins Ausland gehen.»
Das Angebot in der EU könnte für Schweizer Frauen verlockend sein: «Faktisch ist ein Sitz in einem deutschen Aufsichtsrat mit einigen Tagen Anwesenheit pro Jahr verbunden», sagt Mölleney. Die gesetzliche Verantwortung sei im Vergleich zur Schweiz aber weniger gross.
Werden Qualifikationskriterien herabgesetzt?
Doch nicht nur die Abwanderung wird zum Problem. Diana Strebel, Verwaltungsrätin beim Milchverarbeiter Emmi und selbständige Beraterin: «Bei einer 40-Prozent-Quote werden zwangsläufig die Qualifikationskriterien bei Frauen herabgesetzt. Das nützt ihnen langfristig nicht.»
Auch Mölleney befürchtet, dass Frauen mit der Quote vermehrt den «abgekürzten Weg» in den Verwaltungsrat nehmen müssten: «Wenn es für Frauen künftig vom KV-Abschluss auf dem kürzesten Weg in einen Verwaltungsrat geht, ist das kritisch – nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Frauen.»
Norwegerinnen mit Mandaten überfordert
Untersuchungen zeigten zudem, dass es mit einer fixen Quote zumindest anfangs zu einer Ämterhäufung für Frauen komme. «In Norwegen, wo es die 40-Prozent-Quote bereits seit 2003 gibt, sind viele Verwaltungsrätinnen mit ihren zahlreichen Mandaten überfordert.»
Vor diesem Szenario hat Clivia Koch, Präsidentin der Wirtschaftsfrauen Schweiz, keine Angst. «Es gibt genügend Frauen für Verwaltungsräte», ist sie überzeugt. Der Vorteil der EU-Regelung sei, dass sie in diesem Gremium ansetze: «Ein VR-Mandat bietet Frauen die Möglichkeit, in qualifizierter Position Teilzeit zu arbeiten. Zudem können sie Männer, die durch Management und VR doppelt belastet sind, entlasten.»