Wolkenkratzer zum Schnäppchenpreis

Aktualisiert

ImmobilienmarktWolkenkratzer zum Schnäppchenpreis

Das 40-stöckige Hochhaus steht in einer der besten Lagen New Yorks. Bis zum Museum of Modern Art sind es nur wenige Schritte, auch das Rockefeller Center und der Central Park sind ganz in der Nähe. Vor drei Jahren war das Hochhaus 1330 Avenue of the Americas noch 500 Millionen Dollar wert. Vor wenigen Tagen kam es bei einer Auktion für 100 000 Dollar unter den Hammer - kein Einzelfall.

Einen Monat zuvor wurde der höchste Wolkenkratzer in Boston, der John Hancock Tower, für gerade einmal 20 Millionen Dollar versteigert. Im Juni soll das 33-stöckige Equitable Building im Zentrum von Atlanta versteigert werden. Der Eigentümer steht mit über 50 Millionen Dollar bei den Banken in der Kreide.

Kreditausfälle inmitten der schwersten Immobilienkrise seit Jahrzehnten haben in den USA zu einer steigenden Zahl von Immobilien geführt, deren Ausfallrisiken sich auf einen Wert von zig Milliarden Dollar belaufen. Versteigerungen, bei denen teils nur Schleuderpreise für Hochhäuser erzielt werden, sind an der Tagesordnung.

Marktbeobachter sehen einen der wichtigsten Gründe für diese Entwicklung darin, dass Bauträger mit ihren Kreditrückzahlungen in Rückstand geraten, weil Mieter ausziehen und sie keine andere Möglichkeit finden, ihre Verbindlichkeiten zu finanzieren. Deshalb verkaufen sie die Bürohochhäuser teils erheblich unter Wert mit der Bedingung, dass der Käufer die damit verbundene enorme Schuldenlast übernimmt.

«Man stelle sich nur einmal vor, dass auf dem normalen Wohnungsmarkt 80 Prozent der Kredite nicht für alle zur Verfügung stünden», erläutert der Immobilienexperte Dan Fasulo von Real Capital Analytics die Situation. «Wenn jeder sein Haus in bar bezahlen müsste, würden überall die Werte der Häuser in die Tiefe stürzen. Und genau das passiert in massivem Ausmass bei Büroimmobilien.»

Die Versteigerung des Hancock Towers in Boston und des Hochhauses an der 1330 Avenue of the Americas in Manhattan sind die ersten Vorboten für eine ganze Welle von Zwangsversteigerungen und Auktionen, die Experten für die kommenden Monate erwarten. Die Entwicklung wird dazu führen, dass der Wert einst hochklassiger Immobilien sinkt.

Nach Angaben der Firma Real Capital Analytics, die Käufe und Verkäufe bei Geschäftsimmobilien untersucht, haben die Immobilien, deren Eigentümer in Zahlungsverzug geraten sind, einen Gesamtwert von 86 Milliarden Dollar (Stand April), davon entfallen über sechs Milliarden Dollar auf New York. Betroffen sind auch Projekte in der Entstehung, denen ohne neue Finanzierung die Zwangsvollstreckung droht.

Verschiedene Baustellen wurden schon geschlossen. Dazu zählt in New York beispielsweise ein geplantes Gebäude, in dem ein Hotel, Eigentumswohnungen und ein Restaurant untergebracht werden sollen. An dem Projekt ist auch Hollywoodstar Robert de Niro beteiligt.

«So tief war es noch nie»

Viele der Hochhäuser, die wahrscheinlich demnächst zum Verkauf stehen, wurden während des Booms vor drei bis fünf Jahren zu Höchstpreisen erworben. Nach Meinung von Analysten könnten sie rund die Hälfte ihres Wertes bei Zwangsversteigerungen einbüssen.

Die Entwicklung führt zu einer Lähmung auf dem Markt. Wie Immobilienexperten des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) vorrechneten, lag das Verkaufsvolumen bei Büroimmobilien im ersten Quartal um sechs Prozent unter dem des Vorquartals. Im Vergleich zum Vorjahr liegt das Minus sogar bei 21 Prozent. Das Verkaufsvolumen ist nach Worten von MIT-Experte David Geltner auf einem «historischen Tief». Und er fügt hinzu: «So tief war es noch nie. Es war nicht einmal halb so tief.»

Immobilienexperte Dan Fasulo von Real Capital Analytics erklärt: «Niemand, der bei Verstand und gesund ist, wird in dieser Marktsituation sein Eigentum veräussern. Die Verkäufe von Hochhäusern unter Wert sind nach seinen Worten «derzeit noch mit einem kleinen Rinnsal» zu vergleichen. «Daraus wird in den nächsten zwölf Monaten eine Flut.» (dapd)

Deine Meinung zählt