Airlines nerven mit einer Unzahl von Zuschlägen

Aktualisiert

Fliegen immer billiger?Airlines nerven mit einer Unzahl von Zuschlägen

Mit allerlei Gebühren knöpfen US-Airlines ihren Passagieren jedes Jahr Milliarden ab. In Europa machen es ihnen vor allem Billigflieger wie Ryanair und Easyjet nach.

Kian Ramezani
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Kian Ramezani

5.7 Milliarden Dollar haben amerikanische Airlines im vergangenen Jahr durch Zuschläge für Gepäck, Flugänderungen und -stornierungen eingenommen, schreibt das US-Magazin «The Atlantic». Klingt nach viel, aber: Im selben Zeitraum beförderten sie 720 Millionen Passagiere und setzten insgesamt 170 Milliarden Dollar um. Vor diesem Hintergrund scheinen die Zusatzeinnahmen wie ein Klacks.

Dennoch lohnt es sich, genauer hinzuschauen. In den vergangenen Jahren haben sich Spezialzuschläge zu einer zunehmend wichtigen Einnahmequelle für US-Airlines entwickelt. Wie «The Atlantic» am Beispiel von Delta Air Lines vorrechnet, machten Zuschläge für Gepäck, Flugänderungen und -stornierungen 2007 nur 0.6 Prozent des Gesamtumsatzes der grössten Fluggesellschaft der Welt aus. Bis 2010 stieg dieser Anteil auf 6.9 Prozent – oder fast um Faktor 12. Während ein Delta-Passagier vor drei Jahren durchschnittlich 1.55 Dollar Gebühren pro Flug bezahlte, waren es im vergangenen Jahr bereits 16.39 Dollar.

30 Dollar, um einen Flug zu blockieren

Kommt hinzu, dass inzwischen für eine ganze Reihe anderer Dienstleistungen Zuschläge erhoben werden, die in den 5.7 Milliarden nicht enthalten sind. Gebührenspitzenreiter Spirit berechnet 25 Dollar für das Mitführen von Handgepäck (20 Dollar bei Online-Buchung) und 3 Dollar für ein alkoholfreies Getränk. Für Mahlzeiten bezahlen Passagiere in fast allen US-Airlines. American Airlines verteilt Kissen und Decken für 8 Dollar. Continental verlangt 3 Dollar für Kopfhörer, die bei keiner anderen Airline funktionieren, 30 Dollar, um ein Flugticket für 72 Stunden zu blockieren und 10 Dollar, um vor der grossen Masse einzusteigen. Wer bei U.S. Air übers Telefon bucht, bezahlt dafür 25 Dollar zusätzlich.

Viele dieser Zuschläge haben tatsächlich einen tieferen Sinn. Wer auf ein Kissen oder eine Decke verzichten kann, sollte nicht gezwungen sein, die Bedürfnisse anderer Passagiere mitzufinanzieren. Dasselbe gilt für Mahlzeiten, Getränke und Bordunterhaltung. Auch ein Premium-Sitzplatz (etwa bei den Notausgängen) darf etwas kosten, schliesslich ist deren Zahl beschränkt und man sitzt dort unbestritten bequemer.

Sogar eine Gebühr für das Mitführen von Handgepäck hat einen positiven Effekt, wenn dadurch weniger Passagiere von der Option Gebrauch machen: Mehr Platz in der Gepäckablage und kürzere Schlangen vor der Gepäckkontrolle. Der Sinn anderer Zuschläge erschliesst sich hingegen nicht auf den ersten Blick: Spirit berechnet mindestens 10 Dollar für das Privileg, den Sitzplatz (auch einen schlechten) selbst auszuwählen. Ohne Aufschlag gibt es nur einen Sitz, der einem von der Airline zugewiesen wird.

1 Euro pro Toilettenbesuch

Amerikanische Zustände herrschen in Europa nicht. Nationale Fluggesellschaften wie die Swiss erbringen immer noch zahlreiche Dienstleistungen, ohne dafür eine Zusatzgebühr zu verrechnen. Doch der Preis- und Konkurrenzdruck ist unbarmherzig. Längst haben Billigflieger das amerikanische Gebührenmodell für sich entdeckt und (er)finden ständig neue Dienstleistungen, die sie den Passagieren verrechnen können. Wenig überraschend schwappte die Welle zuerst auf den angelsächsischen Teil Europas über.

Wofür der irische Billigflieger Ryanair alles Zuschläge erhebt, versetzt Passagiere immer wieder in Rage. Ein Reiseexperte hat eine entsprechende Liste erstellt und berechnet, dass eine sechsköpfige Familie mit viel Pech und Sorglosigkeit auf einem Hinflug 3000 Euro zusätzlich hinblättern müsste. Zum Beispiel durch einen falsch geschriebenen Namen. Kostenpunkt 100 Euro online, 150 Euro am Schalter. Oder 20 Euro pro Kilo Übergepäck – maximal 15 Kilo sind erlaubt. Oder eine Kreditkartengebühr von 5 Euro pro Person und Flug, also 60 Euro für eine sechsköpfige Familie mit einem Hin- und Rückflug. Ryanair plant, schon bald 1 Euro pro Toilettenbesuch einzukassieren.

Auch der britische Billigflieger Easyjet lässt sich einiges einfallen. Alle Buchungen (ausser über Visa Electron) ziehen eine «Buchungsgebühr» von 10 Pfund nach sich. Wer mit einer handelsüblichen Kreditkarte bezahlt, legt zusätzlich 2.5 Prozent der Transaktionssumme oder mindestens 4.95 Pfund drauf.

Welche Zuschläge finden Sie unzumutbar? Diskutieren Sie mit.

Dieser Passagier am Londoner Flughafen Gatwick wurde Opfer der restriktiven Handgepäckbestimmungen von Easyjet:

(Video: Youtube/clarkeyqe2)

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