Nur noch HahnenburgerNestlé streitet mit Bern – wegen Mineralwasser
Die Stadt Bern verbannt Mineralwasser und setzt voll auf Hahnenburger. Die Mineralwasser-Hersteller protestieren heftig. Kein Wunder – der Markt ist riesig.

Produktion von Rhäzünser: Zu viel Energieverbrauch?
Keine Dürre, wenig Armut, klare Seen und saubere Flüsse – eigentlich absurd, dass es ausgerechnet in der Schweiz zu einer emotionalen Debatte über Trinkwasser kommt. Doch genau das ist der Fall. Angestossen hat sie die Initiative Blue Community der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn. Sie brachte Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät dazu, sich für Leitungswasser auszusprechen.
Weltweit ist Bern nun die erste Hauptstadt, die an Sitzungen konsequent Leitungswasser statt Mineral auftischt und sich «Blue Community» nennen darf. Auch in Kantinen von Stadt und Uni soll es künftig Hahnenburger geben. Man halte die Direktionen und Abteilungen an, auf transportiertes Wasser zu verzichten, heisst es. Wann immer möglich werde man auf die Gratis-Alternative zurückgreifen.
Produzenten gehen auf die Barrikaden
Die Getränkeproduzenten steigen auf die Barrikaden. «Die Kampagne trifft die falschen», sagt Marcel Kreber vom Verband Schweizerischer Mineralquellen und Softdrink-Produzenten. Er persönlich habe nichts dagegen, wenn man Leitungswasser trinke. «Doch die Kampagne macht das Mineralwasser schlecht», sagt er.
Blue-Communitys-Ziele hält er für grundsätzlich ehrenwert. Die Initiative kommt ursprünglich aus Kanada und richtet sich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung. Doch das stehe hierzulande gar nicht zur Debatte. «Man kann die Situation mit der in Kanada nicht vergleichen», so Kreber.
Auch Umweltaspekte
Auch bei Blue Community heisst es allerdings, man verfolge in der Schweiz eher ein anderes Ziel. Hier gehe es um den ökologischen Faktor – um die Ressourcen, die für den Transport des Flaschenwassers aufgewendet werden. Wenn es ein gut funktionierendes Leitungswasser-System gebe, müsse man das Wasser nicht extra mit dem Lastwagen durch die Gegend fahren, so die Argumentation.
Für Kreber ist allerdings auch das fraglich. Man müsste erst einmal zusammenrechnen, wie viel für die Produktion von einem Liter Leitungswasser an Energie aufgewendet wird im Vergleich zum Transport des Flaschenwassers. Im Gegensatz zum reinen Quellwasser, das in die Mineral-Flaschen komme, müsse Leitungswasser noch einen Bearbeitungsprozess durchlaufen.
Nicht so aufwendig
So aufwendig scheint der allerdings nicht. Wie die Trinkwasserinitiative Viva Con Agua berechnete, werden rund 0,3 Liter Erdöl verbraucht, bis ein importierter Liter Mineral auf dem Schweizer Tisch steht. Und mit Vitell, Perrier, San Pellegrino und Aqua Panna karrt allein der Nahrungsmittel-Multi und Branchenprimus Nestlé einen Grossteil seines Wassers von ausserhalb an. Für Leitungswasser beträgt der Wert 0,3 Milliliter – 1000-mal weniger.
Dass Kreber und seine Kollegen die Leitungswasser-Bewegung fürchten, hat gute Gründe. Rund 20'000 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt mit der Industrie zusammen. Rund 900 Millionen Liter konsumieren die Schweizer im Jahr, etwa ein Drittel wird importiert, rund 590 Millionen im Land produziert. Beherrscht wird der Markt von den sechs grossen Anbietern (Box), die insgesamt rund 75 Prozent des Marktanteils auf sich vereinen.
Marktanteile Mineralwasser Schweiz
Nestle: Rund 23 Prozent
Migros: Rund 15 Prozent
Coca Cola: Rund 12 Prozent
Coop: Rund 10 Prozent
Feldschlösschen: Rund 8 Prozent
Danone: Rund 8 Prozent
Andere: 24 Prozent
(Quelle: Diverse Markt-Schätzungen)
Nestle gehören: Henniez, Cristalp, Vittel, San Pellegrino, Contrex, Perrier, Aqua Panna.
Migros: Aproz, Aquella, M-Budget.
Coca-Cola: Valser
Coop: Swiss Alpina, Prix Garantie.
Feldschlösschen: Rhäzünser, Arkina.
Danone: Evian, Volvic