Futurologe Gerd Leonhard«Roboter werden alle Routinearbeiten machen»
Roboter werden uns bald viele Jobs wegnehmen, sagt Futurologe Gerd Leonhard. Er erklärt auch, was wir tun müssen, um trotzdem noch Arbeit zu finden.
Herr Leonhard, wie verändert die Digitalisierung unsere Arbeit in Zukunft?
Alle Vorgänge, bei denen das möglich ist, werden bald automatisiert, digitalisiert und virtualisiert. Das ist eine radikale Veränderung. Es wird verschiedenste Bereiche wie Buchhaltung, Finanzberatung, Busfahren oder Bezahlen im Supermarkt treffen. Die Experten sind sich einig: Alle Arbeiten, die repetitiv sind, werden von den Maschinen gekapert.
Dann gehen viele Berufe verloren. Was geschieht mit den Arbeitnehmern?
Die Menschen müssen dann komplexere Arbeiten ausführen, die keine Maschine machen kann. Also Arbeiten, die Koordinieren, Verhandeln sowie das Lösen komplexer Probleme beinhalten. Einen Taxi-Fahrer vom Bahnhof zum Hotel in der Stadt wird es dank selbstfahrender Autos nicht mehr geben, dafür muss das System gewartet werden. Es braucht weiterhin Handwerker.
Wie können wir uns auf diesen Wechsel vorbereiten?
Bei der Ausbildung müssen wir uns dramatisch anpassen. Studenten müssen lernen, neue Berufe zu erfinden. Sie müssen kreativer werden und sich aufs Lösen von Problemen fokussieren.
Junge Leute können einen kreativen Beruf erlernen. Was machen ältere Arbeitnehmer, deren Job wegfällt?
Sie müssen sich Nischen suchen und herausfinden, wie sie ihre Talente in einem Job einsetzen können, der nicht aus Routine besteht. Denn alles, was dauernd wiederholt wird, können Maschinen lernen. Ein Beispiel: Eine Maschine kann Schach spielen lernen und schlägt selbst Grossmeister. Doch der Computer kann nicht mit einem Zweijährigen reden, der sich völlig unvorhersehbar verhält.
Müssen wir uns vor der Macht der Computer fürchten?
Nein, aber die Entwicklung hat Vor- und Nachteile. Positiv ist, dass Maschinen uns helfen, grosse Probleme zu lösen. Zum Beispiel das Problem der globalen Klimaerwärmung. Hier lassen sich dank Computern Massnahmen zur Klimakontrolle schaffen. Negativ ist aber, dass wir uns in Zukunft komplett auf Maschinen verlassen müssen. Wir werden so abhängig. Die Privatsphäre geht ebenfalls verloren.
Wie wichtig ist der Schutz der Privatsphäre?
Die Privatsphäre ist ein fundamentales Menschenrecht. Ohne den Raum des Privaten gibt es keine Geheimnisse, keine Entdeckungen, keine Zufälle. Diese Dinge machen das menschliche Wesen aus. Ähnliche Probleme gibt es beim Thema Effizienz. Menschen sind ineffizient, langsam und teuer. Doch so sind wir nun einmal und das müssen wir beschützen. Es braucht deshalb private Freiräume, damit wir uns entfalten können.
Ist das realistisch? Heute erlauben die meisten Arbeitgeber nicht einmal mehr, dass wir das Handy ausschalten. Sie erwarten permanente Verfügbarkeit von uns.
Die komplette Hypervernetzung ist eigentlich keine menschliche Eigenschaft. Dass wir ständig online sind, erzeugt bei uns eine Sucht nach immer mehr Daten. Auf Englisch sagt man: Wir werden «digitally obese» (dt. digital fettleibig). Das ist ein Trend, der uns längerfristig psychisch krank machen wird. Wir bewegen uns in eine Richtung einer Horrorvorstellung, wie wir sie nur aus Science-Fiction-Filmen kennen. Tragisch ist das, weil es gar keinen Sinn ergibt, dass wir ständig online sind. Maschinen und Computer sollten immer on sein, sie sind dafür programmiert. Der Mensch ist das nicht.
Offline ist also der neue Luxus?
Ja, genau. Und es ist ein Luxus, den wir uns leisten müssen. Wir brauchen ein Recht zum Ausschalten, zum Offlinegehen.
Gerd Leonhard wird am Digital Economic Forum in Zürich teilnehmen. Es findet am 26. und 27. April statt.
Zur Person
Gerd Leonhard ist Gründuer und CEO der «TheFuturesAgency». Er arbeitet als Speaker, Zukunftsforscher und Berater. Dabei beschäftigt Leonhard sich mit der Frage, wie unsere menschliche Zukunft in den verschiedensten Bereichen aussehen wird, besonders auch im Feld der Arbeit. Er ist ausserdem Gastprofessor an der Business School «Fundacao Dom Cabral» (Brasilien). Leonhard lebt in Basel.