Die Macht der Buchstaben

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RatingagenturenDie Macht der Buchstaben

Ramschstatus für Griechenland, schlechtere Noten für Portugal und Spanien: Die Ratingagenturen sorgen für Schocks an den Märkten. Nun geraten sie selbst unter Beschuss.

Die Ratingagenturen können über Sein und Nicht-Sein entscheiden.

Die Ratingagenturen können über Sein und Nicht-Sein entscheiden.

Es ist noch nicht einmal zwei Jahre her, als die drei Grossen der Branche, Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch, wegen krasser Fehlurteile am Pranger standen.

Schrottpapiere vom US-Hypothekenmarkt erhielten reihenweise die Bestnote «AAA» (»Triple A»), was Investoren in Scharen lockte - und letztlich Milliarden verbrannte. Genauso daneben lagen die Agenturen bisweilen mit der Bewertung von Banken, die wenig später zusammenbrachen.

Klartext von den Agenturen

Wie schon auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ist auch jetzt die Politik empört. Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle etwa plädiert für eine unabhängige europäische Agentur.

Der Ökonom Jan Pieter Krahnen hält dem entgegen: «Zu denken, dass eine europäische Ratingagentur bessere Ergebnisse produzieren würde, ist eine grosse Naivität bezüglich der Funktionsweise von Kapitalmärkten.» Die aktuelle Kritik an den Agenturen rühre vielmehr daher, «dass etliche Leute die Fakten nicht hören wollen».

Auch die Agenturen verstehen die Aufregung nicht. «Wir müssen unsere Meinung kundtun, auch wenn es schmerzhaft für den Emittenten ist», sagt der Deutschland-Chef von Fitch Ratings, Jens Schmidt- Bürgel. Die Ratingmethoden seien «klar und transparent gerade im Rating von Ländern». Viele der Daten seien öffentlich zugänglich.

Moritz Kraemer, S&P-Europachef Länderrating, erinnert: «Als ab dem Jahr 2004 Italien, Griechenland und Portugal heruntergestuft wurden, hat kaum jemand davon Notiz genommen.»

Vorwurf der Parteilichkeit

Kritiker bemängeln, es bleibe oft unklar, welcher Anteil der Bonitätseinstufungen von Banken, Unternehmen und Staaten (Ratings) Mathematik und was Meinung ist.

Hartnäckig halten sich Vorwürfe der Parteilichkeit, weil die Agenturen bisweilen von den Unternehmen bezahlt werden, deren Kreditwürdigkeit sie beurteilen.

Trotz ihres Versagens würden sie nicht zur Verantwortung für ihre Fehlurteile gezogen, praktisch bestehe ein Monopol der Agenturen ohne ausreichende Kontrolle, urteilen ihre schärfsten Kritiker.

In der Tat: Dass S&P den Daumen für Griechenland (Herabstufung auf den Ramschstatus BB&), Portugal (A-) und Spanien (AA) senkte, macht es für die hoch verschuldeten Staaten schwerer und teuerer, sich Geld zu besorgen.

Herdentrieb

Hinzu kommt: Manche Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen dürfen bei einer drastischen Herabstufung Anleihen des betreffenden Landes nicht mehr in ihren Depots halten.

Ökonomen warnen davor, die Schuldensünder in einen Topf zu werfen. «Auch wenn es derzeit am Kapitalmarkt anscheinend niemanden interessiert: Die Haushaltslage ist in Portugal deutlich weniger dramatisch als in Griechenland», schreibt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Defizit, Schuldenquote, Kapitalbedarf - überall stehe Portugal besser da.

Als Hauptgefahr für portugiesische Staatsanleihen sieht Solveen, «dass es unter dem Eindruck der Griechenland-Krise zu einem Käuferstreik am Kapitalmarkt kommt» - ein Beleg für die Macht der Buchstabencodes, die die Agenturen für ihre Bewertung verwenden.

Eigenes Urteil bilden

Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und derzeit in Verhandlungen mit Athen über ein Sparpaket, meint, die Agenturen sollten nicht so ernst genommen werden.

Ähnlich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble: Kein Marktteilnehmer werde gehindert, solche Agenturen nicht so ernst zu nehmen.

(sda)

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