Kein Absturz – aber wohl noch längere Flaute

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Schweizer WirtschaftKein Absturz – aber wohl noch längere Flaute

Bei aller Vorsicht, die bei Konjunkturdaten nötig ist: Ein Rückfall in die Rezession ist in der Schweiz unwahrscheinlich. Einem Aufschwung steht andererseits die Eurokrise im Weg.

Balz Bruppacher
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Balz Bruppacher

Konjunkturprognosen sind keine exakte Wissenschaft. Die monatlichen Statistiken über den Verlauf der Wirtschaft beruhen zum Teil auf Schätzungen und werden oft nachträglich korrigiert. Durststrecken können so im Nachhinein zum Beginn eines Aufschwungs werden, vermeintlich robuste Zahlen den Keim einer Abwärtsspirale in sich tragen. Über allem schwebt die Unsicherheit der Wirtschaftsentwicklung im Ausland und der sogenannten exogenen Faktoren. Also von Einflüssen wie Krisen, Kriegen und Katastrophen.

«Die Eurokrise hängt wie ein Damoklesschwert über der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa», sagte Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, heute bei der Präsentation der neuen Konjunkturprognose. Der Wirtschaftsdachverband befürchtet eine Verlangsamung des Wachstums auf 0,6 Prozent im nächsten Jahr, nach 0,9 Prozent in diesem Jahr. Das ist zurzeit die pessimistischste Voraussage, wobei in den kommenden Tagen allerdings noch weitere Neubeurteilungen anstehen, unter anderem jene der Nationalbank und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).

Wechselbad von Prognosen und Daten

Was die Beurteilung erschwert, sind die teilweise widersprüchlichen Daten und Erwartungen. So fiel das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal dieses Jahres mit geschätzten 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal überraschend stark aus. Vor drei Monaten sah alles noch ganz anders aus: Das Seco meldete für das zweite Quartal einen minimen Rückgang des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) um 0,1 Prozent. Eine Rezession – nach gängiger Definition zwei aufeinanderfolgende Quartale mit rückläufiger Wirtschaftsentwicklung - schien damals wahrscheinlich. Denn die meisten Experten rechneten mit einem Abschwung für das zweite Halbjahr.

Auch die jüngsten Konjunkturindikatoren vermitteln kein einheitliches Bild. Während das KOF-Barometer stärker sank als erwartet, hat sich der Einkaufsmanagerindex PMI im November überraschend deutlich erholt. Dieser Frühindikator über den Geschäftsverlauf in der Industrie liegt nun mit 48,5 Punkten wieder nahe der Schwelle von 50 Punkten, die ein Wachstum erwarten lässt.

Schnee als Schmiermittel für das Weihnachtsgeschäft

Ein ansprechendes Resultat erzielte im Oktober zudem der Detailhandel mit einem realen Wachstum von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Für den Detailhandel hat das in vielen Branchen matchentscheidende Weihnachtsgeschäft begonnen. Das Schneetreiben im Flachland ist hier ein positives exogenes Element.

Bei allen Abwärtsrisiken und Warnungen vor dem wachsenden politischen Monolith EU – so Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta – schliesst übrigens auch der Wirtschaftsdachverband positive Überraschungen auf internationaler Ebene nicht aus. Eine solche Aufwärtstendenz könnte vor allem von den USA ausgehen, sagte Chefökonom Minsch.

Mindestkurs von 1,20 vorerst in Stein gemeisselt

Der Schweizer Franken ist gemäss Economiesuisse gegenüber dem Euro auch heute noch mehr als zehn Prozent überbewertet. Und damit ein Hindernis für die Exportwirtschaft und den Tourismus. Allerdings fällt auf, dass der Ruf nach einer Heraufsetzung des Euro-Mindestkurses weitgehend verstummt ist. Vor Jahresfrist hatte der damalige Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer noch mit einem Weihnachtsgeschenk der Nationalbank in Form einer Euro-Untergrenze von 1,30 Franken geliebäugelt. Die jüngsten BIP-Zahlen des Seco vermitteln den Eindruck, dass der Export möglicherweise den Boden in diesem Jahr gefunden hat.

Für eine Aufhebung des Mindestkurses von 1,20 Franken ist es allerdings noch zu früh. Das machte letzte Woche auch Nationalbank-Präsident Thomas Jordan deutlich. Er bezeichnete die gegenwärtige Lage als fragil. Eine neuerliche Aufwertung des Frankens würde die Schweizer Wirtschaft im Mark treffen, sagte der oberste Währungshüter. Das US-Finanzministerium hat der Schweiz übrigens soeben bestätigt, dass sie mit dem Mindestkurs keine Währungsmanipulation betreibt.

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