«Aldi spionierte in der Schweiz Mitarbeiter aus»

Aktualisiert

Schnüffler erzählt«Aldi spionierte in der Schweiz Mitarbeiter aus»

Der deutsche Discounter Aldi soll laut einem ehemaligen Detektiv seine Mitarbeiter bespitzelt haben. Auch in Schweizer Filialen seien Kameras installiert worden. Aldi widerspricht.

Sandro Spaeth
von
Sandro Spaeth
Für Aldi Suisse arbeitete Detektiv Wolfgang Paul laut eigenen Angaben in den Jahren 2006 bis 2008. Aldi zählt hierzulande rund 160 Filialen.

Für Aldi Suisse arbeitete Detektiv Wolfgang Paul laut eigenen Angaben in den Jahren 2006 bis 2008. Aldi zählt hierzulande rund 160 Filialen.

Aldi steht ein weiteres Mal am Pranger: In der aktuellen Ausgabe des «Spiegel» packt ein ehemaliger Detektiv aus und berichtet im Detail, wie er aufgefordert wurde, die Aldi-Mitarbeiter auszuspionieren. Der Detektiv war während 15 Jahren für den Discounter im Einsatz.

Für Aldi Süd und Aldi Schweiz sollte Wolfgang Paul in mehr als 300 Filialen Kundendiebstähle verhindern. Das war aber nicht der einzige Auftrag des Detektivs. Er wurde auch immer wieder angewiesen, ein Auge auf die Angestellten zu werfen – nicht nur in Deutschland. «Aldi hat auch die Mitarbeiter in der Schweiz ausspioniert», so Paul im Gespräch mit 20 Minuten Online.

Für Aldi Suisse arbeitete der «Schnüffler» laut eigenen Angaben in den Jahren 2006 bis 2008. Das 2005 gegründete Unternehmen zählt hierzulande 162 Filialen. Laut dem Ex-Detektiv haben die Aldi-Bereichsleiter immer wieder verlangt, dass Kameras auch im Umkleideraum mit den Mitarbeiterspinden oder anderen Gemeinschaftsräumen installiert werden. Das habe er aber immer abgelehnt. «Wenn es illegal wurde, habe ich mich rausgehalten», sagt Paul.

Verbotene Liebe

Zu den Aufgaben des Detektivs gehörte auch, auffällige Angestellte zu melden, beispielsweise wenn ein Mitarbeiter langsam war oder zwei ein Verhältnis miteinander hatten. «Es war in Deutschland ein eisernes Gesetz, dass Beziehungen unter Mitarbeitern verboten waren», so Paul. Regelmässig hat der Detektiv versteckte Minikameras über den Kassen angebracht. «Das habe ich auch in der Schweiz gemacht», so Paul. Montiert wurden die Kleinstkameraanlagen zusätzlich zur normalen Überwachungskamera im Lampenschirm – angeblich in der Filiale in Kreuzlingen.

Die versteckten Kameras wurden laut Paul nur bei begründetem Tatverdacht installiert. Immer wieder hätten Angestellte mit Komplizen zusammengearbeitet, die zwar die Einkäufe aufs Band legten und bezahlten, hinten auf dem Einkaufswagen aber noch einen Karton mit einem PC drauflegten. «Und die Kassiererin sah einfach weg», so Paul.

Für die Überwachungsaktionen will sich Paul immer den Segen der Aldi-Rechtsabteilung geholt haben. Mitarbeiter mit versteckter Kamera zu überwachen ist in der Schweiz juristisch heikel. Der Schweizer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte hält auf seiner Website dazu fest: «Denkbar ist eine Überwachung des Arbeitnehmers im Falle einer Straftat oder eines Straftatverdachts, wenn die Massnahme nach Einreichung einer Anzeige gegen Unbekannt richterlich oder gerichtspolizeilich angeordnet wurde.» Je nach Fall ist eine Überwachung bei Tatverdacht aber auch ohne Anordnung durch die Polizei möglich.

Spezialkamera als Sonderleistungen verbucht

Die Überwachungsmethoden hat Aldi nie an die grosse Glocke gehängt. Detektiv Paul verbuchte die Installation der Mini-Kameras unter Sonderleistungen. Bei Aldi in Deutschland dementiert man die Überwachungsmethoden. Gegenüber dem «Spiegel» gibt der Discounter an, es habe keine Anweisung gegeben, «Auffälligkeiten wie private Details zu melden». Weiter würden «illegale und nicht vertragskonforme Praktiken der Detektive weder freigegeben noch geduldet». Die Zusammenarbeit mit «Schnüffler» Wolfgang Paul streitet man nicht ab. Rechnungen seien zwar durch die Geschäftsführung gezeichnet worden, diese würden aber keine unseriösen Praktiken betreffen.

Bei Aldi Schweiz heisst es Anfrage von 20 Minuten Online: «Aldi Suisse setzt in keiner Filiale Kameras ein, um Mitarbeitende zu beobachten.» Auch habe die Geschäftsführung niemals den Einsatz von versteckten Kameras veranlasst oder gebilligt. Aldi-Sprecher Philippe Vetterli gibt aber zu, dass vereinzelt Detektive von Drittfirmen im Einsatz sind. Sollte jemals eine über die Diebstahlprävention hinausgehende Überwachung stattgefunden haben, könne dies nur aufgrund des Fehlverhaltens eines einzelnen Mitarbeiters erfolgt sein.

Privatermittler und Buchautor

Der ehemalige Aldi-Detektiv Wolfgang Paul veröffentlichte im November 2012 gemeinsam mit dem ehemaligen Aldi-Süd-Manager Andreas Straub das Buch «Der Schatten –Fallgeschichten eines Detektivs». Das Buch erschien im Rowohlt-Verlag.

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