Teure FinkenReifenpreise explodieren
Das geht an die Räder: Bis 25 Prozent sollen Pneus für Autos und Lastwagen im Euroraum teurer werden. Schuld sind die Rohstoffpreise.

Zum Abheben: Die Preise für Autoreifen werden 2011 bis 25 Prozent teurer.
Autsch, diese Nachricht tut vielen Automobilen weh! Die Reifenpreise explodieren. «Auf die Autofahrer werden wohl drastische Preiserhöhungen bis 25 Prozent zukommen», sagt Rainer Binder, CEO von Delticom, dem grössten Internet-Reifenhändler Europas. Der Grund: «Die Rohstoffpreise steigen rasant», so der Händler. Viele Hersteller kauften die für die Reifenproduktion erforderlichen Rohstoffe nämlich bereits Monate im Voraus ein. Der drastische Anstieg der Rohstoffpreise in den letzten Wochen werde daher mit zeitlicher Verzögerung auch beim Konsumenten ankommen.
Knapper und teurer Kautschuk
Binder ist nicht allein mit seiner Einschätzung. Der deutsche Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) wies bereits anfangs Februar auf die prekäre Rohstoffsituation hin. Beispielsweise beim Naturkautschuk, einem der wichtigsten Materialien bei der Reifenherstellung. Während 2009 die Tonne im Jahresdurchschnitt rund 1450 Euro kostete, stieg der Mittelwert 2010 um satte 96,5 Prozent auf 2850 Euro pro Tonne an. Anfangs 2011 schossen die Notierungen an den Rohstoffbörsen sogar auf 3900 Euro hoch. Und ein Ende scheint gemäss dem Branchenverband nicht in Sicht zu sein. Auch die chemisch hergestellten Kautschuke sind wegen der aktuellen Ölpreissteigerungen im Aufwärtsgang.
Hinzu kommt das Problem der Verfügbarkeit der Materialien. Laut BRV verknappen anhaltende Überschwemmungen in den Kautschuk produzierenden Ländern wie Indonesien, Thailand und Malaysia derzeit die Erntemengen stark. Gleichzeitig aber steigt die Nachfrage nach dem Rohstoff. China und Indien benötigten laut BRV-Zahlen bereits einen Drittel des weltweit verfügbaren Kautschuks – Tendenz stark steigend.
Schweizer Autofahrer profitieren vom Eurokurs
Den Druck auf die Rohstoffpreise beobachtet auch Simon Müller, Marketing- und Verkaufsleiter beim grössten Schweizer Reifenhändler Pneu Egger. «Besonders stark dürften sich LKW-Reifen verteuern, da bei diesen Produkten der Naturkautschuk-Anteil sehr hoch ist und sich diese Rohstoffpreise fast verdreifacht haben», sagt Egger gegenüber 20 Minuten Online. Zudem gebe es Produktionsengpässe aufgrund der grossen Nachfrage.
So hätten koreanische und andere asiatische Reifenhersteller begonnen, Lieferungen nach Europa zu drosseln, um ihren wachsenden Heimmarkt abdecken zu können. Müller rechnet damit, dass generell alle Produktgruppen und Reifenmarken vom Preisanstieg betroffen sein werden. Wie Delticom-CEO Binder prognostiziert auch er in den nächsten zwölf Monaten bis 25 Prozent höhere Reifenpreise im Euroraum.
Schweizer Pneukunden dürfen trotzdem vorerst aufatmen. Der starke Franken mildert die in Euro anfallenden Preissteigerungen ab. So prognostiziert Christian Hermle, Marketing- und Verkaufsleiter beim Reifenhersteller Continental für die Sommerreifensaison 2011 bei allen Herstellern ein Preisanstieg von rund drei Prozent und bei den Winterreifen 2011 einen zusätzlichen Preisschub von drei bis acht Prozent, der wahrscheinlich auch vom Handel weiter gegeben wird.
Kardinalsfrage: Kaufen oder zuwarten?
Hermle verweist aber auch auf die unterschiedliche Situation in den Absatzkanälen. «Grosse Online-Plattformen operieren mit kleineren Margen, da müssen sie Preissteigerungen eher weitergeben beziehungsweise operieren teilweise sogar mit Tagespreisen.» Auch Simon Müller weist auf den dämpfenden Euroeffekt hin: «Er verhinderte bislang den Preisanstieg, während in Deutschland und den umliegenden Ländern die Reifenpreise bereits um acht bis zehn Prozent angehoben werden mussten.»
Was sollen Autofahrer tun - sofort kaufen oder abwarten und Tee trinken? Die angefragten Reifenhändler empfehlen, raschmöglichst zu den alten Preisen einzukaufen. Sie sind sich aber auch einig, dass die Pneupreise nicht nur vom Rohstoffpreis, sondern auch von der Währung sowie vom Verhalten der Hersteller abhängen. Denn gerade bei letzterem Punkt spielt auch deren Preispolitik, Beschaffungsstrategie und Lagerkapazitäten eine wesentliche Rolle.