Fragen und AntwortenWem nützt die Zinssenkung der EZB?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen historischen Entscheid getroffen: Sie senkt den Leitzins auf ein rekordtiefes halbes Prozent. 20 Minuten Online erklärt, was das bringt.
Spanien, Italien, Portugal, Griechenland: Kann der Zinsentscheid der EZB diese Länder aus der Krise befreien? (Video: Reuters)
Warum hat die EZB den Leitzins erneut gesenkt?
Noch zu Jahresbeginn hatten die Experten mit einem raschen Konjunkturaufschwung im Euro-Raum gerechnet. Diese Hoffnungen haben inzwischen einen Dämpfer erfahren. Die Krisenländer stecken weiter tief in der Rezession und leiden unter einer historisch hohen Arbeitslosigkeit.
Was soll die Zinssenkung bewirken?
Die Geschäftsbanken im Euroraum kommen so günstig an Geld der Zentralbank wie nie zuvor im Euroraum. Die Währungshüter hoffen, dass die Finanzindustrie das billige Geld in Form von Krediten an Unternehmen und Konsumenten weiterreicht.
Was sind die Nachteile dieser Lockerung der Geldpolitik?
Gerade in den Krisenländern wird die Zinssenkung kaum Wirkung zeigen. Denn schon jetzt werden die niedrigen Zinsen nicht an Unternehmen weitergegeben. Kritiker befürchten stattdessen, dass das billige Geld die Reformbereitschaft der Regierungen schmälert.
Gibt es Alternativen zur Zinssenkung?
«Spürbarere Effekte hätten unkonventionelle Massnahmen wie Programme zur Förderung der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen», sagt Nadja Bleuler von Wellershoff und Partners. Es sei möglich, dass die EZB künftig auch zu solchen Massnahmen greife.
Steigt mit der Senkung des Zinssatzes die Inflationsgefahr?
Grundsätzlich schon. Doch zurzeit ebbt der Preisdruck trotz weit geöffneter Geldschleusen ab. Die Inflationsrate befindet sich auf 2 Prozent – die tiefste Rate seit drei Jahren. Ein Anstieg ist zurzeit nicht in Sicht.
Was sagen die Euro-Staaten?
Viele sind nicht zufrieden mit dem Zinsentscheid: Für Deutschland waren die Zinsen schon vor der Senkung zu niedrig, die Angst vor einer Preisblase, insbesondere bei Immobilien, verstärkt sich. Für Krisenländer wie Spanien, Italien, Portugal oder Griechenland hingegen reicht die Senkung kaum aus, damit Unternehmen dort wieder günstig an Kredite kommen.
Welche Bedeutung hat die Senkung für den Schweizer Franken?
Der Euro verliert im Vergleich zum Franken an Attraktivität, allerdings rechnet Bleuler nicht mit einem starken Einfluss auf den Wechselkurs. «Bis jetzt hat die allgemeine Krisenwahrnehmung die Entwicklung des Wechselkurses dominiert, weniger die Zinsentscheide», ergänzt sie.
Was heisst das für die Ersparnisse der Schweizer?
Falls der Wechselkurs ungefähr gleichbleibt, profitieren laut Bleuler die Schweizer Anleger, die europäische Finanzanlagen halten. Bei fallenden Zinsen steige der Wert dieser Anlagen.
Wird es zu weiteren Zinssenkungen kommen?
EZB-Präsident Mario Draghi schliesst das nicht aus. «Wir sind zum Handeln bereit», sagte er nach dem Entscheid in Bratislava, wo die Sitzung des EZB-Rates stattfand. Allerdings geht er davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälfte wieder bergauf geht.