BundesstrafgerichtErste Anklage wegen Bankdatenklau
In einem Fall von Bankdatenklau kommt es zum Prozess vor Bundesstrafgericht. Erstmals hat die Bundesanwaltschaft Anklage erhoben – nach einem Deal mit dem Beschuldigten.

Der Datendieb soll 2,5 Millionen Euro kassiert haben.
Es geht um einen jener Fälle, in denen deutsche Behörden bei der Jagd nach Steuersündern Millionensummen für gestohlene Bankdaten aus der Schweiz auf den Tisch legten. Bekannt wurde das Verfahren, weil sich ein Beschuldigter vor mehr als einem Jahr im Berner Regionalgefängnis erhängt hatte.
Nun sind die Ermittlungen gegen einen zweiten Beschuldigten abgeschlossen. «Im Verfahren betreffend Bankdatenklau hat die Bundesanwaltschaft vor einigen Tagen Anklage gegen eine Person im Rahmen des abgekürzten Verfahrens beim Bundesstrafgericht erhoben», sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Walburga Bur, auf Anfrage von 20 Minuten Online. Weitere Auskünfte zum Angeklagten, zum Sachverhalt und zu den Anklagepunkten verweigerte sie unter Hinweis auf die Informationshoheit des Bundesstrafgerichts in Bellinzona.
Die Aussage, dass ein abgekürztes Verfahren beantragt wird, lässt vermuten, dass eine Art Deal zwischen der Bundesanwaltschaft und dem Beschuldigten stattgefunden hat. Beim abgekürzten Verfahren handelt es sich um eine der wichtigen Neuerungen der schweizerischen Strafprozessordnung, die Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Eine beschuldigte Person kann demnach ein solches Verfahren beantragen, «wenn sie den Sachverhalt, der für die rechtliche Würdigung wesentlich ist, eingesteht und die Zivilansprüche zumindest im Grundsatz anerkennt».
Geständiger Angeklagter
Der Bankdatendieb muss also mit anderen Worten im Wesentlichen geständig sein. Die unter Juristen umstrittene Neuerung bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft, die beschuldigte Person und allenfalls auch die Privatkläger die wesentlichen Inhalte des Urteils inklusive Strafmass unter sich aushandeln. Das Gericht führt kein Beweisverfahren durch, sondern kontrolliert bloss die von den Parteien ausgehandelte Anklageschrift. Die Richter können den Vorschlag genehmigen oder ablehnen. Ausgeschlossen ist das abgekürzte Verfahren, wenn der Staatsanwalt eine Strafe von über fünf Jahren verlangt.
Kurzer Prozess
Noch hat das Bundesstrafgericht die summarische Hauptverhandlung nicht angesetzt. Sie wird grundsätzlich öffentlich sein, wie es in Bellinzona auf Anfrage hiess. Die akkreditierten Medienleute werden vor Beginn des Prozesses auch die Anklageschrift erhalten. Dann wird sich zeigen, wie weit der Schleier über der Affäre gelüftet wird.
Deutschland mauerte
Aus früheren Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BA) ist bekannt, dass das Verfahren im Februar 2010 unter anderem wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes eröffnet worden war. Probleme gab es aber bei der Zusammenarbeit mit Deutschland. Die Bundesanwaltschaft ersuchte in mehreren deutschen Bundesländern um Rechtshilfe. Dort wurde aber lediglich der Empfang der Gesuche bestätigt, wie die BA Ende letztes Jahr erklärte.
Komplize erhängte sich
Bekannt ist auch, dass zwei Personen vorübergehend in Untersuchungshaft sassen. Eine von ihnen beging am 29. September 2010 in einer Zelle des Regionalgefängnisses Bern Selbstmord. Laut Medienberichten, die von der Bundesanwaltschaft unter Hinweis auf den Persönlichkeitsschutz nicht kommentiert werden, handelte es sich um einen 42-jährigen Österreicher, der seit längerem in der Schweiz gelebt hatte. Er soll nach Informationen des «Tages-Anzeigers» als Mittelsmann zwischen dem Datendieb und den deutschen Steuerfahndern tätig gewesen sein. Beim Datendieb habe es sich um einen Mitarbeiter der Credit Suisse gehandelt, schrieb das Blatt. Er soll für die gelieferten Informationen 2,5 Millionen Euro kassiert haben.
Straffreiheit mit Deutschland vereinbart
Beim Bankdatenklau haben vermutlich auch deutsche Steuerfahnder schweizerisches Recht verletzt. Sie kommen jedoch ungeschoren davon. Dies sieht jedenfalls das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland über die Abgeltungssteuer vor. Wörtlich heisst es: «Beteiligte an Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb steuererheblicher Daten von Bankkunden vor Unterzeichnung dieses Abkommens begangen wurden, werden weder nach schweizerischem noch nach deutschem Recht verfolgt; bereits hängige Verfahren werden eingestellt».
Ausgenommen sind einzig Verfahren nach schweizerischem Recht gegen Mitarbeitende von Banken in der Schweiz. Mit dem Abkommen, das noch von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden muss, hat sich Berlin zudem verpflichtet, «dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden». (bbr)