Schuldendesaster«Wir haben die Folterwerkzeuge»
Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, droht den Spekulanten auf den Finanzmärkten. Angesichts andauernder Wetten gegen das hoch verschuldete Griechenland kündigte er Sanktionen an. Die EU-Kommission hat Athen zum Sparen aufgerufen.
EU-Währungskommissar Olli Rehn hat von Griechenland schärfere Etatkürzungen gefordert. Der vom Bankrott bedrohte Mittelmeerstaat müsse noch mehr gegen sein drastisches Haushaltsloch unternehmen, sagte Rehn am Montag in Athen. Dort traf er mit Regierungschef Giorgos Papandreou, Finanzminister Giorgos Papakonstantinou und weiteren Regierungsmitgliedern zu Krisengesprächen zusammen. Die griechischen Finanzprobleme erschütterten in den vergangenen Wochen das Vertrauen in den Euro.
Das «Wall Street Journal» berichtete am Montag, Deutschland und Frankreich bereiteten einen Rettungsplan für Griechenland vor. Staatliche Banken und andere Investoren sollten griechische Staatsanleihen im Umfang von mindestens 20 Milliarden Euro aufkaufen, um dem Land die Refinanzierung zu erleichtern und die Märkte zu beruhigen, schrieb das Blatt unter Berufung auf griechische Regierungskreise. Der Plan solle am Freitag beim Besuch von Ministerpräsident Giorgos Papandreou in Berlin besiegelt werden.
Juncker weist Kritik an spätem Eingreifen zurück
Der luxemburgische Ministerpräsident und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker drohte unterdessen Finanzmarktakteuren mit staatlichen Sanktionen. «Wir haben die Folterwerkzeuge im Keller, und wir zeigen sie, wenn es nötig ist», sagte Juncker dem deutschen «Handelsblatt»: «Wir müssen das Primat der Politik wieder stärken. Sie muss die Finanzmärkte stoppen können.»
Die Politik sei nur soweit erpressbar, wie sie sich erpressen lasse. Sollte Griechenland seine Vorgaben einhalten, die Märkte aber dennoch weiter gegen das Land spekulieren, «werden wir die Märkte da nicht einfach durchmarschieren lassen». Mit welchen konkreten Massnahmen die EU gegen die Spekulation vorgehen könnte, liess Juncker offen. Unter anderem müsse indes die Rolle der Banken thematisiert werden.
«Folterwerkzeug im Keller»
Der Chef der Euro-Gruppe sieht zudem die Notwendigkeit, die Regeln in der Euro-Zone zu ergänzen. «Wenn wir das griechische Problem gelöst haben, müssen wir uns einen Werkzeugkasten zulegen, um ähnliche Probleme in der Zukunft zu vermeiden», sagte Juncker. Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Griechenland lehnte er ab: «Ich halte ein Engagement des IWF, das über die technische Hilfe hinausgeht, für nicht notwendig.»
Juncker wandte sich zudem strikt dagegen, mehr Inflation zuzulassen, wie es der IWF vorgeschlagen hatte. Die Debatte über eine Entschuldung via Inflation sei schädlich. Schliesslich forderte Juncker eine Reform der europäischen Wirtschaftspolitik. Nötig sei eine gemeinsame Wirtschaftsregierung, die vor allem in der Euro-Zone die Wirtschaftspolitik verstärkt koordiniere. Auf diesem Wege werde die Euro-Gruppe vorangehen.
Juncker weist Kritik an spätem Eingreifen zurück
Auf die Frage, warum die Eurogruppe angesichts griechischer Bilanztricksereien nicht eher eingegriffen habe, sagte Juncker: «Wir hatten lange die Vermutung, dass die Zahlen, aufgrund deren Griechenland sein Defizit berechnet hat, zu optimistisch waren. Als sich herausstellte, dass die Zahlen tatsächlich fehlerhaft waren, haben wir sofort gehandelt.»
Und weiter: «Was hätten Sie mir gesagt, wenn ich vor zwei Jahren behauptet hätte, Griechenland hätte ein massives Korruptionsproblem, wie es ja mittlerweile auch der griechische Premierminister bestätigt hat», fragte Juncker und antwortete: «Es hätte einen Aufschrei gegeben, dass man so unter Mitgliedsstaaten der Eurozone nicht miteinander umgehen dürfe.» (sda/dapd)