Trotz Fairtrade kein Extra-Geld für Näherinnen

Aktualisiert

Tiefe LöhneTrotz Fairtrade kein Extra-Geld für Näherinnen

Wer Fairtrade-Kleidung kauft, zahlt mehr. Doch von den Extra-Franken, die der Konsument hinblättert, sehen Näherinnen in Entwicklungsländern oft nichts.

von
L. Frommberg
Näherinnen in einer Textilfabrik: Nicht immer sind faire Löhne garantiert.

Näherinnen in einer Textilfabrik: Nicht immer sind faire Löhne garantiert.

Fürs gute Gewissen zahlt man drauf. Das ist die Regel bei fair gehandelten Produkten. Wer sich ein T-Shirt mit einem Label wie Max Havelaar oder H&M Conscious kauft, der will sich sicher sein: Die Arbeiter, die es herstellten, hatten es verhältnismässig gut. Ökonomisch, ökologisch und vor allem sozial nachhaltig soll die Herstellung der Produkte verlaufen, heisst es etwa H&M in der Beschreibung der Conscious- Linie. Dafür zahlen die Konsumenten einige Franken mehr für ihr T-Shirt oder ihre Jacke.

Im Portemonnaie der Näherinnen kommt aber offenbar nicht mehr Geld an, zeigen nun Recherchen des Konsumentenmagazins «Saldo» in Bangladesch. Befragungen von Näherinnen hätten ergeben, dass sie teils sogar weniger Lohn erhalten als viele Kolleginnen, die normale Stoffe verarbeiten.

Mit Mindestlohn abgespeist

Die Kleiderfabrik Sharmin Apparels etwa beliefere unter anderem H&M und produziere Kleider für das Label Global Organic Textile Standard. Schneider Zahir Hossain arbeitet laut Saldo seit sieben Jahren für die Firma. Sein Lohn beträgt rund 50 Franken im Monat. Ein Einsteiger bei der Fabrik erhalte den absoluten Mindestlohn von 34 Franken – der für die gesamte Branche im Land gelte.

Beim Fairtrade-Label Max Havelaar ist man sich der Problematik bewusst. Es gibt zwar einen Fairtrade-Standard für Baumwolle und damit faire Bedingungen für Baumwollbauern, nicht aber für die Textilverarbeitung. Entlang der Wertschöpfungskette komme es immer noch oft zu unfairen Bedingungen und es bestehe Handlungsbedarf, heisst es auf Anfrage von 20 Minuten. «Unser Ziel ist es, an diesen unfairen Bedingungen etwas zu ändern», so Sprecherin Katrin Dorfschmid.

Noch keine Pflicht

Daher unterstützt die Max-Havelaar-Stiftung laut eigenen Angaben auch andere Initiativen, die sich für mehr Fairness entlang der Wertschöpfungskette einsetzen. Ein Beispiel dafür sei die Fair Wear Foundation. Man empfehle allen Partnern einen Beitritt. Mit diesem Label bestätigen Händler und Produzenten, dass auch in der letzten Verarbeitungsstufe, dem Nähen, faire Bedingungen herrschen. Einen Pflichtstandard für diese letzte Verarbeitungsphase gibt es aber noch nicht.

Für die Konsumenten sei es heute sehr schwierig, sich beim Kleiderkauf aufgrund der vielen unterschiedlichen Standards wie Labels und Initiativen zu orientieren, so Julia Spetzler von der Clean Clothes Campaign der Erklärung von Bern zu 20 Minuten. «Ein fair hergestelltes Kleidungsstück gibt es heute so nicht. Existenzlöhne werden heute noch keine bezahlt in Textilfabriken, da bleibt viel Nachholbedarf.»

Sich deswegen vom Fairtrade abzuwenden, wäre laut Havelaar-Sprecherin Dorfschmid aber ein Fehler. «Wir setzen uns für eine stetige Verbesserung ein. Doch dafür braucht es auch die Unterstützung der Kosnumenten.»

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