Teure KrankenkassenJunge sollen nicht mehr für Alte blechen müssen
Niemand hat höhere Prämienaufschläge zu verkraften als die Jungen. Eine neue Idee zeigt, dass es auch anders gehen könnte. Es wäre ein Bruch mit dem Solidaritätsmodell.

Weil viele junge Erwachsene noch studieren oder ein unsicheres Verdienst haben, muss der Staat heute mit 500 Millionen Franken Prämienverbilligungen einspringen.
Für ältere Versicherte ist die diesjährige Runde bei den Grundversicherungsprämien erfreulich. Die Prämien steigen 2013 durchschnittlich um lediglich 1,5 Prozent. Junge Erwachsene hingegen müssen tief in die Tasche greifen. Im Durchschnitt müssen sie nächstes Jahr 2,9 Prozent mehr zahlen. Der Grund: Immer mehr Versicherer kürzen aus Rentabilitätsgründen die Rabatte, die der Gesetzgeber für die Altersklasse 19 bis 25 an sich zulässt. Die Rabatte sind laut dem Online-Vergleichsdienst Comparis in den letzten fünf Jahren übers Ganze gesehen auf die Hälfte zusammengeschrumpft.
Stefan Felder, Professor für Gesundheitsökonomie an der Uni Basel, ist das ein Dorn im Auge. Er lanciert bei 20 Minuten die Idee, dass 19- bis 25-Jährige künftig generell weniger Krankenkassenprämien zahlen sollen. Denn viele Junge verdienen laut Felder noch zu wenig, um ihre Prämien zahlen zu können. Deshalb muss der Staat in dieser Altersklasse mit Prämienverbilligungen einspringen.
Keine Solidaritätszahlungen mehr
«Es ist verkehrt, wenn der Staat die Möglichkeit zu Rabatten nicht durchsetzt und dann gezwungen ist, eine halbe Milliarde Franken aus dem Steuertopf zur Verbilligung der zu hohen Prämien einzusetzen», klagt Felder. Seine Lösung: Die jungen Erwachsenen sollen künftig – genauso wie Kinder heute schon – nicht mehr über ihre Prämien Solidaritätszahlungen an die teureren Alten zahlen müssen (Risikoausgleich).
Felders Forderung hätte zur Folge, dass die Erwachsenen ab 26 deutlich höhere Prämien zahlen müssten. Nach seinen Berechnungen hätte eine Senkung der Prämien für Junge auf 160 Franken monatlich einen Anstieg bei den Älteren um 10 Franken zur Folge. Bei einer Prämienhöhe von 80 Franken, die dem Kostenniveau der Jungen entspricht, wären es 17 Franken mehr für die Älteren.
Der Online-Vergleichsdienst Comparis unterstützt den Vorstoss: «Felders Vorschlag wäre eine sauberere Lösung als das, was wir heute haben», findet Comparis-Krankenkassen-Experte Felix Schneuwly. «Zudem wäre er einfach politisch realisierbar. Es wäre keine Gesetzesänderung nötig», so Schneuwly. Die Anpassungen liessen sich allein auf der tieferen Verordnungsstufe vornehmen.
Unzufriedene Kassen
Auch die Krankenkassen sind unzufrieden mit der heutigen Lösung. Verschiedene haben sich eigene Gedanken zum Thema gemacht. So ortet die Allianz Schweizer Krankenversicherer (ASK) ebenfalls dringenden Anpassungsbedarf bei den jungen Erwachsenen. «Die Höhe des Rabatts ist für die jungen Erwachsenen heute viel geringer als der Rabatt für Kinder, obwohl die Durchschnittskosten nicht viel höher sind», bemängelt Direktor Reto Dietschi. Zudem sei das System wegen der Prämienverbilligungen aufgrund überhöhter Jugendprämien ineffizient. Trotzdem will die ASK weiterhin die Solidarität mit den älteren Generationen erhalten. Sie arbeitet deshalb an einem eigenen Vorschlag zur Anpassung der Prämien.
Konstantin Beck, Gesundheitsökonom beim CSS-Institut fordert ebenfalls eine Prämienanpassung zugunsten junger Erwachsener. Seine Lösung: «Heute wird der gesamte Kostenvorteil der Jungen als Solidaritätsleistung an die Senioren eingefordert», sagt er. Die CSS würde demgegenüber begrüssen, wenn die Solidaritätsleistungen auf die Hälfte zurückgingen und die andere Hälfte an die Jungen als Rabatt weitergegeben werden könnte.
Auch beim Krankenversicherer Sanitas bemängelt man die heutigen grossen Finanzflüsse mit hohen Kosten. «Eine Entlastung der unter 25-Jährigen wäre ein Schritt in Richtung risikogerechtere Prämien», so Sprecherin Isabelle Vautravers. Als Alternative wäre für sie auch denkbar, eine zusätzliche Prämienstufe für jüngere Versicherte einzuführen. Bei Letzterem wäre allerdings eine Anpassung des Krankenversicherungsgesetzes nötig, was die Chancen auf eine Realisierung schmälert.