AnalyseDer Bundesrat hat vor den USA kapituliert
Das neue Gesetz zur Lösung des US-Steuerstreits klingt nach harmloser Altlastenbereinigung. Tatsächlich aber bedeutet es, dass amerikanisches Gesetz in der Schweiz angewendet werden kann.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf äussert sich an einer Medienkonferenz zum Steuerstreit mit den USA.
Nach zwei Jahren harten Verhandlungen, mit Drohungen und Anklagen, beschloss der Bundesrat ein klitzekleines Gesetz mit drei Absätzen. Dieses gibt den Banken die Möglichkeit, den Steuerkonflikt mit den USA zu lösen. Damit, so die Regierung, sei das Problem hoffentlich gelöst.
Alles halb so wild, könnte man meinen. Doch weit gefehlt. Der Deal mit Amerika, für den das erwähnte Gesetz Voraussetzung ist, reicht weit. Er ist nichts anderes als eine Ausdehnung von US-Gesetz auf die Schweiz. Die Supermacht kann ihr Recht exterritorial auf den Alpenstaat ausweiten.
Der Vorgang ist einzigartig. Recht ist nicht mehr, was von den gewählten Schweizer Politikern und den Bürgern bestimmt wird. Sondern Recht ist neu, was die USA als richtig empfinden. Uncle Sam darf mit dem Segen des Bundesrats und jenem des Parlaments, sofern dieses mitspielt, bestimmen, was der Finanzplatz für eine Busse zu zahlen hat und welche Daten von Mitarbeitern, Anwälten und Treuhändern die betroffenen Banken offenzulegen haben.
Einzigartiges Diktat
Man muss sich den Vorgang in aller Deutlichkeit vor Augen halten, um die Dimension dieses Vertrags zwischen der Schweiz und den USA richtig einschätzen zu können. Die USA können einseitig dem Bankenplatz Schweiz, immerhin der wichtigsten Industrie des Landes, die Bedingungen für einen Frieden diktieren.
Das allein wäre historisch. Doch es ist nicht der fragwürdigste Teil des US-Deals. Dieser liegt im Verhalten des Bundesrats. Die Regierung hat faktisch eine Bankrotterklärung abgegeben. Das machte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlupf an einer Pressekonferenz klar, als sie sagte, dass die Landesregierung keine Details zu Bussen und Datenlieferungen der Banken nennen würde. Das sei Sache der Finanzinstitute, nicht jene von Bern. «Die Banken müssen nun selbst entscheiden, ob für sie ein Mitmachen beim US-Programm wichtig ist», sagte die BDP-Spitzenfrau.
Abwehrwall ist eingestürzt
Somit ist die Frage, was der Widerstand der Schweiz in den zähen Verhandlungen mit den USA am Schluss gebracht hat, mit einem Wort beantwortet: Nichts. Der ganze Abwehrwall ist am Ende wie eine Styroporwand eingebrochen.
Alles Weitere erübrigt sich. Was der Deal den Finanzplatz am Schluss kosten wird, wie viele Daten letztendlich nach Übersee geliefert werden, was die Alternativen gewesen wären – all das bleibt geheim. Der Bundesrat als wichtigstes Organ der Alpenrepublik ist ans Ende seines Lateins gekommen, streckt die Waffen, überlässt das Problem den Banken und geht auf Tauchstation.
Banken rennen zur Kasse
Was die Banken nun tun werden, ist absehbar. Jedes Institut mit amerikanischer Kundschaft – und das sind die meisten der rund 300 Banken – hat einen grossen Anreiz, gegenüber den US-Behörden Reue zu zeigen und eine hohe Busse zu zahlen. Wer das nicht tut, läuft Gefahr, später angeklagt zu werden. Das führt dazu, dass die USA mit einer Bussenzahlung in einem hohen einstelligen oder sogar in einem zweistelligen Milliardenbereich rechnen können.
Diesem cleveren Mechanismus, den die Weltmacht vorschlug, hatten die Schweizer nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Damit endet die langjährige Bankgeheimnis-Praxis des Finanzplatzes im Desaster. Wenn die Bussen happig ausfallen, dann könnten einige Banken sogar in existenzielle Nöte geraten. Bei Kantonalbanken müssten dann sogar Steuergelder die Zeche zahlen.