Josef AckermannVom Banker zum Beizer
Josef Ackermann, abgetretener Chef der Deutschen Bank, hat sich ein Haus in Berlin Mitte gekauft. Darin befindet sich das Nobelrestaurant Borchardt.
Hier haben TV-Grössen wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch, Schauspielerinnen wie Veronica Ferres oder Iris Berben und Designerinnen wie Jette Joop ihren Stammplatz. Die Politprominenz der deutschen Hauptstadt geht hier ein und aus, man spricht von einem «Lobbyisten-Wohnzimmer»: Die Rede ist vom Restaurant Borchardt in Berlin.
Zu seinen Zeiten als Chefredaktor der «Welt» soll auch Roger Köppel gerne im Borchardt seinen Hunger gestillt und wichtige Leute getroffen haben. Jetzt hat sich ein anderer Schweizer, der in Diensten eines deutschen Unternehmens stand, Teile des Traditionshauses in Berlin Mitte anscheinend gekauft: Gemäss dem deutschen Nachrichtenmagazin «Focus» ist der Rheintaler Josef Ackermann, Ex-CEO der Deutschen Bank, Miteigentümer des Borchardt geworden. Er habe gemeinsam mit Schweizer Freunden einen Immobilienfonds gegründet, dem die Immobilie und das Restaurant in Berlin Mitte gehörten, bestätigte Ackermann in einem Interview.
Immobilienfonds mit Schweizer Freunden
Von seiten der Borchardt-Betreiberin Gastart heisst es allerdings, Ackermann sei «kein Gesellschafter» des Restaurants. Sprecherin Sabrina Bärthel: «Roland Mary ist zu 100 Prozent alleiniger Inhaber» des Restaurants Borchardt. Es gibt keinen zusätzlichen Gesellschafter.» Anscheinend beschränkt sich die Beteiligung des Schweizers und seiner Freunde auf die Immobilie an der Französischen Strasse 47.
Dennoch: Das Haus, in dem sich das Borchardt seit Jahrzehnten befindet, ist ein Stück Berliner Tradition. Der Esstempel wurde bereits 1853 als Wein- und Delikatessenhandlung von August F. W. Borchardt gegründet und belieferte den wilhelminischen Hof. Die DDR überlebte das Lokal als Fischrestaurant Lukullus, als Jugend-Tanzlokal sowie als Kantine für Bauarbeiter.
Ackermann: Gefahr von Abstumpfung
Seit dem 5. März 1992 trägt es wieder seinen angestammten Namen und ist bekannt für seine Wiener Schnitzel, Steaks Tartare, Austern, Elsässer Blutwurst oder die Bouillabaisse – und die Tatsache, dass es für Normalsterbliche oft schwierig ist, einen Platz zu bekommen.
Vielleicht hat sich Ackermann zum Kauf der Immobilie entschieden, um auf dem Teppich zu bleiben. Es bestehe die Gefahr, dass sich Manager gegenüber der Aussenwelt abkapselten, bemängelte der Ex-Banker im Interview: «Man droht abzustumpfen, gewisse Dinge nicht mehr an sich heranzulassen. Die Feinheiten nicht mehr zu spüren, auch emotionale Verletzungen des Gegenüber.»
Er lege Wert darauf, dass die Darstellung seines Lebenswerks und sein späteres Bild in den Geschichtsbüchern der Realität entsprechen: «Ich möchte, dass die Wahrheit siegt.» Ob Josef Ackermann nun als «Banker und Beizer» in die Annalen eingehen wird, ist deshalb noch unklar.