Lamborghini fürs Volk

Aktualisiert

Nischenproduktion ade?Lamborghini fürs Volk

Der Bolidenbauer Lamborghini macht Jagd auf einen neuen Kunden. Neben den stark motorisierten Sportwagen bauen die Italiener bald Alltagsautos. Ein Experte ist skeptisch.

von
Sandro Spaeth
Lamborghini will ein Alltagsauto bauen. Geht die 2008 in Paris präsentierte Konzept-Limousine Estoque in Serie?

Lamborghini will ein Alltagsauto bauen. Geht die 2008 in Paris präsentierte Konzept-Limousine Estoque in Serie?

Aston Martin hat es vorgemacht und setzt nicht mehr ausschliesslich auf Boliden. Der britische Luxussportwagenhersteller verkauft seit diesem Jahr auch einen Kleinwagen (Cygnet – basierend auf dem Toyoto iQ). Kostenpunkt: 48 000 Franken.

Gedanken über eine Palettenerweiterung macht sich auch VW-Tochter Lamborghini. «Wir wünschen uns ein drittes Modell für die Marke», sagte Lamborghini-Präsident Stephan Winkelmann zu ftd.de. Zurzeit hat der Bolidenbauer aus der Provinz Bologna lediglich den Sportwagen Gallardo in seinem Programm, im Sommer folgt der Aventador, der aktuell am Autosalon in Genf präsentiert wird. Beides sind Autos, die wegen ihrer Breite ein normales Parkfeld bei weitem sprengen und ihrer Anzahl PS wegen mehr für die Fahrt auf der Rennpiste als für den Weg ins Stadtzentrum gemacht sind.

Das dürfte sich beim geplanten Lamborghini ändern. Er soll sich für bequeme Einkaufstouren eignen und eine grössere Zielgruppe ansprechen: Prestigebewusste Fahrer, die sich nicht unbedingt eine ganze Fahrzeugflotte für jegliche Extravaganzen halten. «Für uns ist es wichtig, dass es ein für den Alltag nutzbares Fahrzeug wird», beschreibt der Lamborghini-Präsident die Anforderungen ans neue Fahrzeug. Es soll frühestens 2015 auf den Markt kommen.

Kleinwagen: Faust aufs Auge

Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen kann dem Plan nicht viel Positives abgewinnen: «Lamborghini braucht kein Alltagsauto – und schon gar keinen Stadtflitzer.» Ein Lamborghini-Kleinwagen ist für den Autoexperten wie «eine Faust aufs Auge.» Ein Kleinwagen würde laut Dudenhöffer die Marke verwässern.

Dem widerspricht Catherine Noël, Verkaufsleiterin bei Lamborghini Zürich. «Auch eine Lamborghini-Limousine oder ein edler Stadtflitzer mit 300 PS wird funktionieren.» Die Marke müsse einfach ihrem Konzept mit «extremen, schnellen und brachialen», aber nur in kleinen Stückzahlen gebauten Fahrzeugen treu bleiben. Lamborghinis Exklusivität zeigen diese Zahlen: Im Jahr 2008 baute der Konzern 2500 Fahrzeuge, im Krisenjahr 2009 noch deren 1515.

Monopol bei den Luxuswagen

Der VW-Konzern hat unlängst angekündigt, bis 2018 zum grössten Autobauer der Welt aufsteigen zu wollen. Wurde die «Rennwagen-Tochter» darum gezwungen, aus dem Nischensegment auszubrechen? Dudenhöffer hält dies für Unfug und für die falsche Strategie. «Bei grösseren Stückzahlen geht die Exklusivität verloren.» Das bringe den VW-Konzern nicht weiter. Der Professor hält es für wichtiger, dass der Konzern seine Stellung bei den Luxuswagen weiter zementiert. «Mit Bentley, Lamborghini und Porsche hat VW quasi ein Monopol im Luxussegment». In diesem Top-Segment geschähen die Innovationen, die schliesslich an die darunter liegenden Fahrzeugkategorien weiter gingen.

Besser als ein Kleinwagen würde zu Lamborghini laut Dudenhöffer ein SUV passen – oder eine extravagante Limousine. In diesem Bereich hat der italienische Autobauer bereits Erfahrung: 2008 präsentierte der Hersteller aus Sant'Agata auf der Automesse in Paris den Lamborghini Estoque, eine Konzept-Limousine mit 560 PS. Der Hersteller betonte damals, dass über die Zukunft des Fahrzeugs noch nichts entschieden sei. Man wolle eine Richtung aufzeigen, wohin es mit einer dritten Baureihe gehen könnte, so Lamborghini-Präsident Winkelmann damals zu «Spiegel».

Auch ein SUV wäre für Lamborghini nicht komplettes Neuland. 1986 bis 1993 – also Jahre bevor die Geländewagen von Porsche, Audi und BMW die Städte eroberten – bauten die Italiener den LM002, einen SUV im Stil eines Hummers, nur eckiger. Lamborghini hoffte auf lukrative Armeeaufträge, doch diese bleiben aus. Die Produktion wurde nach 301 gebauten Exemplaren eingestellt – kommerziell ein riesiges Fiasko.

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