Brasilianische PlantagenIm Nestlé-Kaffee steckt Sklavenarbeit
Nestlé kauft Kaffeebohnen von Sklaverei-Plantagen - und gibt das sogar zu. Ist das eine Transparenz-Offensive oder die Folge einer Führungskrise?
Nach den Sklaverei-Vorwürfen bei Fischprodukten kommt jetzt der Kaffee: Nestlé soll unter unmenschlichen Bedingungen geerntete Kaffeebohnen verwenden. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat Bohnen von zwei brasilianischen Plantagen gekauft, bei denen die Behörden wegen Zwangsarbeit einschritten. Das hat Nestlé gegenüber Danwatch bestätigt.
Das Investigativ-Netzwerk hat die brasilianische Kaffeeindustrie während sieben Monaten untersucht – und fand erschreckende Zustände vor. Menschen würden für einen mickrigen oder gar keinen Lohn zur Arbeit gezwungen, schreibt Danwatch. Wohnen müssten die Arbeiter auf Abfallbergen oder in Unterkünften ohne Türen, Matratzen und Trinkwasser. Zudem seien sie tödlichen Pestiziden ausgesetzt.
«Zusammenbruch der alten Strategie»
Es ist nicht das erste Mal, dass Nestlé wegen unmenschlicher Arbeitsbedingungen in seiner Lieferkette am Pranger steht. Neu ist jedoch, dass das ansonsten verschwiegene Unternehmen die Fälle zugibt. Im November bestätigte Nestlé bereits grobe Missstände auf thailändischen Fischerei-Schiffen.
Dabei handle es sich aber keineswegs um neue Transparenz, sagt Kommunikationsberater Klaus J. Stöhlker zu 20 Minuten: «Das ist kein Strategiewechsel, sondern der langsame Zusammenbruch der alten Strategie.» Nestlé befinde sich seit einiger Zeit in einer Kommunikationskrise, die durch die Suche nach einem neuen Konzernchef noch verstärkt werde. Das Unternehmen ernennt 2016 einen neuen Konzernleiter – diese «Führungskrise», wie Stöhlker es nennt, führe «zu grosser innerer Unsicherheit», was sich deutlich in der Kommunikation widerspiegle.
«Besonders gravierender Fall»
Dass unter sklavereiähnlichen Zuständen gewonnene Kaffeebohnen in Produkten wie Nescafé, Nespresso oder Dolce Gusto stecken, liegt laut dem Danwatch-Bericht daran, dass der Nestlé-Konzern nicht die Namen aller Plantagen kennt, die ihn beliefern. Gekauft würden die Bohnen teils über Mittelsmänner.
Für die Erklärung von Bern gilt das nicht als Ausrede: «Dass Nestlé schon wieder in einen Sklavenskandal involviert ist, zeigt, dass das Unternehmen ganz grundsätzliche Transparenzprobleme in seinen Lieferketten hat», sagt Sprecher Oliver Classen. Der aktuelle Fall sei besonders gravierend, weil Brasilien das mit Abstand wichtigste Kaffee-Produktionsland sei. «Wenn Nestlé es ernst meint mit seiner Unternehmensverantwortung, muss der Konzern auch hier endlich von Ignoranz auf Engagement umschalten», so Classen.
«Volle Garantie gibt es nicht»
Eine Anfrage von 20 Minuten bei Nestlé blieb unbeantwortet. An
Danwatch schrieb der Konzern, man werde sich von den zwei fraglichen Plantagen nichts mehr liefern lassen, bis die Untersuchungen der Behörden abgeschlossen seien. Dem britischen «Guardian» sagte Nestlé, man nehme die Vorwürfe ernst und toleriere keine Verletzung der Arbeitsrechte. Leider sei Zwangsarbeit ein häufiges Problem in Brasilien – «kein Kaffeeproduzent kann vollends garantieren, dass sie in seiner Lieferkette nicht vorkommt», so das Unternehmen.
Im Visier wegen Sklaverei auf seinen Kaffeeplantagen steht auch der niederländische Kaffeeproduzent Jacobs Douwe Egberts. Gemeinsam mit Nestlé beherrscht das Unternehmen rund 40 Prozent des weltweiten Kaffeemarkts.
Der Schweizer Nahrungsmittelmulti will ein sauberes Image wahren. Erst kürzlich hat der Konzern seine Zusammenarbeit mit dem Leichtathletik-Weltverband IAAF fristlos beendet – wegen eines Dopingskandals.