Streng, strenger, BahnSBB schikanieren E-Ticket-Besitzer
Die Zahl der E-Tickets wächst bei den SBB rasant. Doch wer das Billett über diesen Weg erwirbt, unterliegt strengeren Regeln. Das führt zu Unmut.

Auf dem Vormarsch: Das E-Ticket erfreut sich immer grösserer Beliebtheit, allerdings sind die SBB im Umgang damit strenger als bei normalen Tickets.
Das E-Ticket der SBB ist ein voller Erfolg: Seit der Lancierung 2004 haben es bereits über eine Million Reisende auf ihr Handy geladen. Die Zahl wächst jeden Monat um über 10 Prozent an, heisst es stolz bei den SBB über den «am schnellsten wachsenden Verkaufskanal». Das Erfolgsbillet sorgt allerdings seit der Einführung immer wieder für rote Köpfe. Der Grund sind die strengen Richtlinien für ein gültiges E-Ticket und die unnötige Kriminalisierung von Fahrgästen, wie das aktuelle Beispiel eines Leser-Reporters zeigt.
Jörg Meier (Name geändert) streitet seit über einem Monat mit den SBB um 80 Franken. Der Leser-Reporter hat am 26. Dezember 2010 ein Zugticket auf sein Handy geladen und zwar genau so wie es die Richtlinien verlangen: Vor der Abfahrt des Zugs, für die richtige Strecke und die richtige Klasse. Meier konnte sich auch mit seiner ID ausweisen, als der Zugbegleiter ihn kontrollierte. Das einzige Problem war: Der Akku seines Handy war leer, und Meier konnte das Ticket dem Kontrolleur nicht sichtbar machen. «Ich habe dem SBB-Kontrolleur das so mitgeteilt», sagt Meier, «doch der händigte mir nur ein Bussenformular aus – wegen ‹Reisen ohne gültigen Fahrausweis›.»
«Die SBB machen mich zum Schwarzfahrer»
Meier stritt nicht lange mit dem Zugbegleiter, sondern rechnete mit der Vernunft der SBB. Er setzte noch am selben Abend eine E-Mail an die SBB-Inkassostelle auf und teilte die genauen Angaben seines nicht übertragbaren und persönlichen E-Tickets mit: Zonen-, Artikel- und Dossier-Nummer sowie die Gültigkeit: 26.12.10 - 14:11 BIS: 27.12.10 - 14:20. Diese Daten sind nicht nur auf dem Ticket ersichtlich, sondern auch bei den SBB gespeichert – um laut eigenen Angaben Missbrauchsfälle zu verhindern. Die E-Mail belegt folglich exakt und für die SBB nachvollziehbar, dass Meier am 26. Dezember 2010 um 17.11 Uhr – als er kontrolliert wurde – ein gültiges E-Ticket besass. Zwei Wochen später antworteten die SBB knapp mit Verweis auf die Geschäftsbedingungen (siehe Infobox): Wer kein Ticket vorweist, bezahlt 80 Franken. Dass es keinen Zweifel daran gibt, dass der Leser-Reporter das Ticket richtig und rechtzeitig gelöst hat, spielt für die SBB keine Rolle.
Für Jörg Meier ist dieses unflexible Vorgehen unglaublich: «Ich habe ein gültiges Ticket gehabt.» Die SBB könnten das überprüfen. «Sie machen mich aber dennoch zum Schwarzfahrer – das ist eine Frechheit.» Meier fragt sich, warum es nicht wie bei den persönlichen Abos läuft. Tatsächlich müssen beispielsweise vergessliche GA-Besitzer ihr Abo nicht vorweisen können. Sie erhalten zwar ebenfalls das Formular «Reisen ohne gültigen Fahrausweis», können es im Gegensatz zu E-Ticket-Besitzer aber innerhalb von zehn Tagen nach der Reise zusammen mit ihrem nicht übertragbaren Abo am nächsten Schalter zeigen. Damit ist die Sache ist erledigt. Kostenpunkt für die vergesslichen Abo-Besitzer: Fünf Franken Bearbeitungsgebühr. Bei den mobilen Tickets - die auch persönlich und nicht übertragbar sind - zeigen sich die SBB allerdings stur. «Das ist eine klar Diskriminierung von Reisenden mit mobilen Billets», sagt Leser-Reporter Meier.
Keine Anpassung der AGB in Zukunft
Dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen für die E-Tickets deutlich strenger sind als bei anderen Billets, streiten die SBB nicht ab. Sie begründen die harte Linie damit, dass «E-Tickets nicht auf Wertpapier gedruckt werden und beliebig oft kopiert werden können», schreibt Sprecher Christian Ginsig in einer Stellungnahme an 20 Minuten Online. Das E-Ticket sei deshalb nicht anders handzuhaben, als ein normales Billet, wie er auf Nachfrage erklärt: Wenn man das «Wertpapier-Ticket» zuhause liegen lasse, könne man ja auch nicht sagen, man habe ein Ticket zuhause und es später zeigen kommen. Den grossen Unterschied sparte Ginsig in seinem Vergleich allerdings aus: Das E-Ticket ist persönlich, der Reisende muss sich im Gegensatz zum normalen Ticket bei jeder Kontrolle ausweisen. Wie die E-Ticket-Kopien angesichts dieser Identitätskontrolle missbraucht werden können, konnte Ginsig allerdings auf Nachfrage nicht erklären.
Die SBB fühlen sich in ihrer harten Haltung offenbar bestätigt, da sich kaum jemand beklagt, wie sie abschliessend in ihrer Stellungnahme schreiben: «Aus unseren Rückmeldungen ist ersichtlich, dass nicht funktionierende Mobiltelefone (Akku, defektes Display) heute kaum ein Problem darstellen.» In den Augen der SBB ändert daran auch die monatlich wachsende Zahl von E-Tickets und die damit wachsende Gefahr solcher Fälle nichts. Für die Bundesbahnen gibt es deshalb auch in naher Zukunft keinen Grund die «diskriminierenden Geschäftsbedingungen» für E-Tickets anzupassen.
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E-Ticket ab März für Android-Handys
Auf dem iPhone ist der SBB-Ticketshop schon länger in der SBB-Mobile-App enthalten. Ab März können auch Pendler mit Android-Smartphones ihre Fahrkarten über das Handy lösen, wie die SBB gegenüber 20 Minuten Online bestätigte.
Strenge Regeln für E-Tickets
allgemeinen Geschäftsbedingungen heisst:
«Für die MobileTicket-Fähigkeit der Mobiltelefone sowie für die Sicherstellung der technischen Einstellungen ist der Kunde selbst verantwortlich. Kann ein MobileTicket aufgrund fehlender Funktionsfähigkeit des Mobiltelefons (z. B. bei leerem Akku) oder aufgrund eines unleserlichen Displays (z.B. wegen starker Kratzer) nicht kontrolliert werden, liegt eine Reise ohne gültigen Fahrausweis vor.»