Zu teuer6-Stunden-Arbeitstag scheitert bei Versuch
In Schweden wurden kürzere Arbeitstage getestet. Fazit: zu teuer. Doch auch wenn man die Kosten ausklammert, ist weniger Arbeitszeit für die Angestellten nicht immer besser.
Ob 30- oder 40-Stunden-Woche, ist nicht entscheidend, sagt Kuno Ledergerber von der ZHAW im Video. (Video: 20 Minuten)
Das Svartedalen-Altersheim in Göteborg dürfte das meistbeachtete Altersheim der Welt sein. Das Interesse verdankt die städtische Institution einem zweijährigen Test der Sechs-Stunden-Arbeitstage. Medien aus aller Welt haben darüber berichtet, dass ein Teil des Pflegepersonals pro Woche nur noch 30 statt wie bisher 40 Stunden arbeitet, aber weiterhin den vollen Lohn erhält. Ende 2016 ging das Experiment zu Ende. Fortgesetzt wird es vorläufig nicht. Der Grund: Es war schlicht zu teuer.
Um den 68 Pflegern kürzere Arbeitstage zu ermöglichen, mussten 17 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Das kostete umgerechnet fast 1,4 Millionen Franken. Gespart wurde dank der Schaffung von Arbeitsplätzen zwar ebenfalls. So musste die Arbeitslosenversicherung umgerechnet knapp 600'000 Franken weniger ausgeben. Und auch die Gesundheitskosten konnten leicht gesenkt werden. Gemäss den Resultaten eines Zwischenberichts sanken die krankheitsbedingten Ausfälle leicht. 6,4 Prozent der Arbeitszeit fehlten die Angestellten vor dem Versuch, 5,8 Prozent waren es noch nach dem ersten Jahr. Doch insgesamt liessen sich die Kosten durch die kürzeren Arbeitszeiten nicht wie erhofft senken.
Pfleger fühlten sich fitter
Die Angestellten selbst hingegen waren mit dem Versuch zufrieden. Im Vergleich mit einem Altersheim, wo weiterhin in Acht-Stunden-Schichten gearbeitet wurde, gaben Sie an, effizienter und fitter zu sein. Auch gesundheitlich fühlten sich die Pfleger, die täglich zwei Stunden weniger arbeiteten, besser als die Kontrollgruppe, die wie bis anhin weiterarbeitete.
«Eine zu grosse Arbeitsbelastung wirkt sich negativ auf die Angestellten aus», sagt Andreas Hirschi, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Uni Bern. Daher sei zu erwarten, dass Angestellte bei einer tieferen Arbeitszeit und gleichbleibender Bezahlung eher zufriedener und gesünder seien. Doch hänge das auch von der Arbeit ab. «Bei vielen Jobs wird in Projekten mit Deadlines gearbeitet. Arbeitet man täglich nur sechs statt acht Stunden, bleibt die Deadline trotzdem bestehen», so Hirschi. So müsse gleich viel Arbeit einfach während weniger Arbeitszeit erledigt werden.
Stolz auf Stress
In diesem Fall könnten die positiven Effekte durch den zunehmenden Stress zunichte gemacht werden. Zu dieser Schlussfolgerung seien etwa Forscher, die die Arbeitszeitreduktion in Südkorea untersuchten, gekommen. «Die Ergebnisse zeigten, dass die Reduktion der Arbeit kaum positive Effekte für die Angestellten hatte», so Hirschi.
Die Idee, weniger zu arbeiten, hatte in der Schweiz jüngst einen schweren Stand. Vor knapp fünf Jahren lehnten die Stimmbürger die Initiative «Sechs Wochen Ferien für alle» an der Urne deutlich ab. Vor rund 15 Jahren fiel eine Initiative, die die 36-Stunden-Woche forderte, ebenfalls klar bei einer Abstimmung durch. «In der Schweiz gibt es die Vorstellung einer Arbeitsethik, die Nicht-Arbeiten mit Faulenzen assoziiert», so Hirschi. So würden Leute mit verstecktem Stolz erzählen, wie gestresst sie seien, «quasi als anerkannte Form von Ungesundheit».