2500 Franken Monatslohn – ohne zu arbeiten

Aktualisiert

Grundeinkommen2500 Franken Monatslohn – ohne zu arbeiten

Krisenzeiten machen es möglich: Scheinbar weltfremde Visionen werden ernst genommen. Das gilt auch fürs bedingungslose Grundeinkommen.

von
Balz Bruppacher
Grundeinkommen: Utopische Idee oder Modell der Zukunft. Am Samstag 19. März wird das Thema an einem Kongress in Zürich diskutiert.

Grundeinkommen: Utopische Idee oder Modell der Zukunft. Am Samstag 19. März wird das Thema an einem Kongress in Zürich diskutiert.

Geld verdienen ohne zu arbeiten, diese Idee klingt ebenso verlockend wie utopisch. In diese Richtung geht die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Jeder Mensch soll lebenslang ein existenzsicherndes Einkommen erhalten, unabhängig von seiner persönlichen Situation und ohne Bedingungen.

Die Rede ist im Kreis der Initianten von monatlich rund 2500 Franken für Erwachsene und 1000 Franken für Kinder. Diese Geldzahlung würde bestehende Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, IV und AHV ersetzen. «Das Grundeinkommen senkt das Rentenalter auf null», sagt Mitinitiant Christian Müller von der «Agentur mit Grundeinkommen».

Per Volksinitiative zum Grundeinkommen

Am kommenden Samstag wird die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens an einem Kongress in Zürich propagiert und diskutiert. Die 600 Plätze im Kongresshaus waren im Nu ausgebucht. Auftreten werden so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Buchautorin Judith Giovanelli-Blocher, die Schwester des SVP-Tribuns Christoph Blocher, der Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg, der frühere UBS-Ökonom Klaus Wellershoff und «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel.

Das macht auch deutlich, dass das bedingungslose Grundeinkommen nicht die Forderung aus einer politischen Ecke ist. Den Organisatoren geht es vielmehr um einen Kulturimpuls. Ihre mehrjährige Vorarbeit und Bewusstseinsbildung soll in einem Jahr in der Lancierung einer Volksinitiative münden. «Wenn es das Grundeinkommen dann gibt, wird es so selbstverständlich sein wie heute das Frauenstimmrecht», sagt der Basler Kulturunternehmer Daniel Häni, einer der Initianten.

Gerechtigkeits- und Sinnfrage

Fragt man die Initiatoren nach der Finanzierbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens, erinnern sie daran, dass kein gesellschaftlicher Fortschritt mit einem Kostenplan begonnen habe. Dennoch haben sie Berechnungen angestellt. Wichtig ist dabei das Prinzip, dass das Grundeinkommen in die bestehenden Erwerbseinkommen einbezogen wird. Eine Lehrerin, die heute 8000 Franken pro Monat verdient, würde also nach der Einführung des Grundeinkommens von 2500 Franken noch 5500 Franken durch ihre Erwerbsarbeit verdienen und hätte insgesamt nach wie vor 8000 Franken zur Verfügung.

Bei den Tieflöhnen würde die Position der Angestellten insofern gestärkt, als der Arbeitgeber wohl mehr zahlen müsste als die Differenz zwischen Gesamteinkommen und Grundeinkommen. Verdient eine Gastronomieangestellte monatlich 3300 Franken, würde das Erwerbseinkommen nach Abzug des Grundeinkommens auf 800 Franken sinken. Damit könne man auch Nein sagen zu einem Angebot, sagt Häni, und weiter: «Die Gerechtigkeitsfrage wird durch das Grundeinkommen mit der Sinnfrage verbunden; das gefällt mir an der Idee.»

Kosten von 200 Milliarden pro Jahr

Auf Grund einer groben Rechnung kommen die Initianten zum Schluss, dass das Grundeinkommen jährlich rund 200 Milliarden Franken kosten würde. Davon wären 170 Milliarden Franken ersetzend für bestehende Transferleistungen und Einkommen. Der Rest von 30 Milliarden Franken oder rund fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts müsste finanziert werden. Dabei denken die Initianten vorab an eine Konsumsteuer. Für Häni geht es aber nicht um eine Bezahlbarkeitsfrage, sondern um eine Investitionsfrage. Nämlich um die Frage, ob der Teil des Einkommens, der ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, bedingungslos werden soll.

Die Idee des Grundeinkommens geht auf Utopien in früheren Jahrhunderten zurück und fand in Form der negativen Einkommenssteuer mit Milton Friedmann im letzten Jahrhundert auch einen prominenten Verfechter im neoliberalen Lager. Ökonomen und Behörden stehen der Idee bisher vorwiegend skeptisch gegenüber. Ein oft gehörter Einwand ist neben der Finanzierungsfrage, dass das bedingungslose Grundeinkommen die Erwerbstätigkeit stark reduzieren würde. Die Befürworter erwarten demgegenüber einen grundlegenden Wandel, der zu einer höheren Identifikation mit der Arbeit und einer Erhöhung der Lebensqualität führen würde.

«Ein gerechtes System»

Der Schweizer Ökonomieprofessor Thomas Straubhaar* ist einer der liberalen Befürworter der Idee eines Grundeinkommens.

Herr Straubhaar, warum sind Sie für ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Thomas Straubhaar: Es würde ein effizientes, transparentes und gerechtes Sozialsystem geschaffen. Bürger müssten sich nicht mehr vor dem Staat entblössen, sondern jeder würde einen gleich hohen Betrag erhalten, mit dem er seine Existenz sichern kann.

Warum sollte man dann überhaupt noch arbeiten gehen?

Ab einer gewissen Höhe des Grundeinkommens ist mit negativen Anreizwirkungen zu rechnen, so dass die Motivation zur Arbeit schwindet. Deshalb darf das Grundeinkommen nicht zu üppig sein. Aber neben dem monetären Anreiz gibt es auch andere Gründe wie soziale Kontakte, Anerkennung oder Selbstverwirklichung.

Wer soll das Ganze bezahlen?

Die laufende Finanzierung könnte primär aus der Einkommenssteuer gespeist werden. In meinem Modell wäre es eine Flat Tax: Jeder Franken wird genau gleich besteuert, egal ob es Lohn-, Kapitaleinkommen, Pachteinkommen oder sonst ein Einkommen ist.

*Der Schweizer Thomas Straubhaar ist Professor an der Universität Hamburg und Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.

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