Herr über 700 Milliarden Euro

Aktualisiert

Klaus ReglingHerr über 700 Milliarden Euro

Klaus Regling ist der neu gewählte Direktor für den Rettungsschirm ESM. Er hat sich als Feuerwehrmann bewährt, der mit ruhiger Hand die Löschkanonen der Euroretter lenkt.

Tobias Schmidt
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Tobias Schmidt
Die Eurogruppe wählte Klaus Regling in der Nacht zum Dienstag zum Direktor für den permanenten Schirm ESM.

Die Eurogruppe wählte Klaus Regling in der Nacht zum Dienstag zum Direktor für den permanenten Schirm ESM.

Als bei Klaus Regling vor zwei Jahren das Telefon klingelt und er das Angebot zur Leitung des EFSF erhält, da muss er kurz in sich gehen. «Ich hatte die Sorge, dass es vielleicht zu langweilig wird», sagte er in einem dapd-Interview. Denn damals gab es die Hoffnung, der Rettungsschirm müsse nie eingesetzt werden, alleine die virtuelle Kraft werde die Märkte in die Knie zwingen. Die Anfangsnaivität hat Regling natürlich längst überwunden.

Die Eurogruppe wählte ihn in der Nacht zum Dienstag zum Direktor für den permanenten Schirm ESM, der gerade aufgespannt wird. Weil der Schirm immer neue Aufgaben erhält, wird der 61-Jährige damit auch zum immer wichtigeren Verbündeten von Kanzlerin Angela Merkel im Kampf gegen die Schuldenkrise. Denn er ist der Herr über die inzwischen 700 Milliarden Euro dicken Brandmauern.

Dabei war Merkel nicht immer allzu gut auf den trockenen Lübecker zu sprechen, heisst es in eingeweihten Kreisen. Mal wirkte er der Kanzlerin zu eigenständig. Und vor allem blieb an ihm haften, dass der EFSF im vergangenen Herbst selbst zum Sorgenkind der Euroretter zu werden drohte: Um seine Kraft zu erhöhen, wurden dem Schirm komplizierte Finanzhebel verpasst, die die Märkte zunächst jedoch wenig überzeugten - und bislang nie eingesetzt wurden.

Von Schröder zur Persona non grata erklärt

Das Verhältnis Reglings zur Machtzentrale in Berlin war schon mehrfach in seiner Karriere ein schwieriges - um es vorsichtig zu formulieren. Die begann nach dem VWL-Studium 1975 beim IWF in Washington. 1981 trat er eine Stelle im Bundesfinanzministerium an, vier Jahre danach ging er zurück zum IWF. 1991 rief ihn Theo Waigel wieder ins Finanzministerium, wo er massgeblich an der Konstruktion des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beteiligt war und den Maastricht-Vertrag mit aushandelte. Nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün verabschiedete sich Regling in die Privatwirtschaft. Er wurde Manager in einem führenden amerikanischen Hedgefonds.

Ein vorübergehender Ausflug, denn 2001 übernahm Regling die Leitung der mächtigen Finanzdirektion der EU-Kommission. Es folgte eine heikle Zeit, die ihn vorübergehend zur Persona non grata in Berlin machte. Denn Regling wollte als EU-Beamter die Regierung Schröder zwingen, den Stabilitätspakt einzuhalten. Schliesslich musste er, auf Geheiss des damaligen Finanzkommissars Joaquín Almunia, die Regeln «flexibilisieren», also den Pakt aufweichen. Mit den bekannten Folgen.

«Und plötzlich beruhigt sie sich dann»

2008 verliess Regling die Brüsseler Bürokratie und arbeitete bis zur Übernahme der EFSF-Leitung im Sommer 2010 als Professor in Singapur und dann als Berater in Brüssel und für die Bundesregierung.

Geschätzt wird der Norddeutsche für seinen feinen Humor, für seine Gelassenheit, die er sich auch in den schärfsten Krisenzeiten bewahrt. Den Glauben an ein Ende der Hiobsbotschaften hat er nicht verloren. «Das ist ja das Charakteristikum einer Krise: Keiner erwartet es mehr, und plötzlich beruhigt sie sich dann.» Das sagte er der dapd im vergangenen Herbst. Und an der grundsätzlichen optimistischen Einstellung hat sich nichts geändert, ohne dass darin Unbekümmertheit liegen würde. Zuversicht verbreiten, Vertrauen bilden, und hinter verschlossenen Türen an den kniffligen Lösungen für die ständig neuen Aufträge arbeiten: Das ist der Job Reglings und seines Teams.

In der direkten politischen Verantwortung steht er dabei nicht, sondern er muss die Vorgaben der Euro-Finanzminister umsetzen und verkaufen. Den politischen Hut hat der Eurogruppenchef auf. Dass Jean-Claude Juncker den Job zumindest bis zum Jahresende weiterführt und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nicht zum Zuge kommt, sicherte Regling den ESM-Chefsessel. Denn bei einem deutschen Eurogruppenchef hätte Berlin die ESM-Leitung abgeben müssen.

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