KostendruckDigitalisierung bedroht 100'000 KV-Jobs
Ein Teil der Büroarbeiten wird in Zukunft von Robotern oder günstigen Angestellten im Ausland erledigt. Jede sechste kaufmännische Stelle ist gefährdet.
Ein Roboter, der beispielsweise das Ablegen von Akten übernimmt, oder ein Algorithmus, der die Bewerbungsdossiers selektioniert: Diese Form der Digitalisierung ist in der Schweiz erst ansatzweise zu sehen, wird die kaufmännischen Berufe aber stark umkrempeln. Hinzu kommt, dass eine Reihe von KV-Jobs noch stärker ins Ausland verlagert werden wird (Offshoring). Die Folge: In der Schweiz sind in den nächsten fünf bis zehn Jahren 30'000 bis 100'000 KV-Jobs gefährdet, so das Fazit aus zwei Studien, die der Kaufmännische Verband in Auftrag gegeben hat.
«Die Zahl der betroffenen Arbeitsstellen genau vorherzusagen, ist schwierig, da die Digitalisierung das Offshoring verstärkt oder gar ersetzt», so Christian Zünd, CEO beim Kaufmännischen Verband. Von der Verlagerung besonders betroffen sind laut den am Mittwoch präsentierten Studien unter anderem die Bereiche Rechnungswesen, Informatik, Kundenbetreuung und Personalmanagement.
130'000 KV-Leute sollten sich weiterbilden
Dass der Mensch vom Roboter oder einer günstiger arbeitenden Person im Ausland ersetzt wird, ist auf den Kostendruck zurückzuführen. Folglich gehen die Studienautoren davon aus, dass Firmen mit internationaler Ausrichtung und hohem Wettbewerbsdruck eher Jobs verlagern werden. Besonders betroffen sind darum die Branchen Industrie, Finanzen, ICT und das Gesundheitswesen.
Im kaufmännischen Sektor sind in der Schweiz aktuell rund 590'000 Personen tätig, die grösste Gruppe bilden die 81'000 Angestellten der Finanzbranche. Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass fünf bis 17 Prozent aller KV-Mitarbeiter beim Thema Jobverlagerungen «exponiert» und weitere 13 bis 16 Prozent «moderat exponiert» sind. Stärker gefährdet seien Mitarbeiter mit lediglich einer Grundausbildung, besser stünden Angestellte mit höherer Ausbildung da.
Die Studienautoren gehen davon aus, dass schätzungsweise 130'000 KV-Angestellte Ausbildungsbedarf haben. Der Verband betont aber explizit, dass nicht die Gesamtzahl der exponierten Jobs über kurz oder lang tatsächlich ausgelagert wird.
Die Digitalisierung bedeutet laut den Studien, dass sich die KV-Berufe zu Querschnittsfunktionen entwickeln, bei denen koordinierende Tätigkeiten immer wichtiger, Routineaufgaben hingegen automatisiert werden. Neu seien Menschen gefragt, die über hohe Sozialkompetenzen verfügten, mit neuen Technologien und Kunden umgehen könnten und sich in einem Fachgebiet spezialisiert hätten. «Die Spezialisierung findet dabei innerhalb von Funktionen und nicht mehr entlang von Branchen statt, da die Bedeutung von Branchen aufgrund der Digitalisierung schwindet», so das Fazit.
Vom Sachbearbeiter zum Vermittler
Die Studienautoren sehen die Umwälzungen in der Branche aber nicht nur negativ. Ein Vorteil: Angestellte würden in Zukunft öfter projektbasiert beschäftigt. Die Teams würden deswegen immer wieder neu zusammengesetzt. Kaufmännische Angestellte müssten sich von Sacharbeitenden zu Vermittlern und Managern entwickeln,», sagt Sybille Sachs, Studienverantwortliche und Professorin für Management an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Die Arbeit werde interessant, kreativ und weniger repetitiv.
Was Lernende und der CEO vom Kaufmännischen Verband zu den Entwicklungen in der Branche sagen, sehen und lesen sie später auf 20minuten.ch