Starinvestor Albert Wenger«Trotz Grundeinkommen werden wir arbeiten»
Risikokapitalgeber Albert Wenger sagt, wieso er das bedingungslose Grundeinkommen befürwortet und was es für den Erfolg eines Start-ups braucht.
Herr Wenger, nehmen uns Roboter bald die Jobs weg?
Das Internet und die Digitalisierung verändern derzeit die Wirtschaft. Im Rahmen der sogenannten Industrie 4.0 werden Roboter und Automaten in absehbarer Zeit Angestellte aus vielen Bereichen verdrängen. Viele Jobs, die mit manueller Arbeit zu tun haben, werden verschwinden. Das wird zu Problemen führen. Wir werden nicht mehr in der Lage sein, allen Leuten Arbeit zu bieten.
Wie können wir dieses Problem lösen?
Durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Wie es in der Schweiz dieses Jahr zur Abstimmung kommen wird?
Genau. Denn wir haben heute einen Stand der Entwicklung erreicht, dass wir genug Wissen und Kapital hätten, um jedem Menschen ein solches Einkommen zukommen zu lassen. Keiner sollte sich mehr fragen müssen, ob er morgen genug zu essen hat oder nicht. Es geht dabei vor allem um eine Verteilung von Gütern. Allerdings ist es wichtig, dass der Markt die Verteilung regelt und nicht der Staat. Gibt man den Leuten ein Grundeinkommen, können Sie die überlebenswichtigen Produkte auf dem Markt so nachfragen, wie sie dies wünschen. Der Markt wiederum stellt sie effizient zur Verfügung.
Der Bundesrat lehnt das Grundeinkommen ab. Er sagt, dass so die Wertschöpfung verringert würde und Firmen aus der Schweiz ins Ausland abwandern würden.
Ich halte das für eine Fehleinschätzung. Was der Bundesrat vergisst: Arbeit ist in der Schweiz schon teuer, vor allem im Vergleich zu Niedriglohnländern wie Indien oder China. Ein Grundgehalt, das die Arbeit noch ein wenig verteuert, kann sogar von Vorteil sein. Die Leute wären dann weniger bereit, gewisse Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten auszuführen. Das wiederum würde zum Beispiel die Entwicklung eines Reinigungsroboters begünstigen. Weil Arbeitskräfte zu teuer wären, würde der technische Fortschritt beschleunigt.
Das Problem ist doch, dass die Leute nicht mehr arbeiten wollen, wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen.
Beim Grundeinkommen, wie ich es fordere, handelt es sich um einen relativ tiefen Betrag. Ob 1000 Dollar für die USA oder 2500 Franken für die Schweiz: Die Leute werden noch arbeiten wollen. Der Unterschied zu heute wird sein, dass die Leute nicht mehr bereit sein werden, die schlechten Jobs wie WC-Putzen für einen Tieflohn zu machen. Ausserdem gibt das Grundeinkommen den Menschen die Möglichkeit, mal zu Hause zu bleiben und sich um kranke Angehörige zu kümmern. Das sind wichtige Arbeiten, die heute oft auf der Strecke bleiben.
Sie sind Europäer, leben aber in den USA. Was ist in Amerika besser als bei uns?
Ganz klar die optimistische Grundhaltung der Geschäftsleute, ihre Einstellung gegenüber neuen Ideen. In den USA heisst es: Probiere es ruhig einmal aus! Man glaubt, dass man die Welt verändern kann. In Europa haben die Leute hingegen Angst vor Misserfolg. Klappt etwas nicht, heisst es: Warum nur hast du das gemacht? In den USA hingegen stört es niemanden, wenn mal etwas schiefläuft.
Ist es denn wichtig für den Werdegang eines Unternehmers, dass er einmal scheitert?
Scheitern bildet den Charakter. Wer sofort Erfolg hat, überschätzt sich danach meist selbst. Wer hingegen erst einmal scheitert und im zweiten Anlauf auf einen grünen Zweig kommt, bleibt eher auf dem Boden. WhatsApp-Gründer Brian Acton hat bewiesen, dass Scheitern nichts Schlimmes ist. 2009 bewarb er sich bei Facebook und erhielt den Job nicht. Dann gründete er WhatsApp. Schliesslich verkaufte er den Kurznachrichtendienst an Mark Zuckerberg für Milliarden.
Acton hatte einfach Glück im Unglück.
Das stimmt. Glück spielt allgemein eine grosse Rolle. Ich habe meine Frau in einem Café in Paris kennengelernt. Wäre ich zehn Minuten später dort gewesen, hätte ich sie verpasst. In der Geschäftswelt reicht Glück allein aber nicht. Es braucht eine gute Idee und die richtigen Skills. Intelligenz, Fleiss und Glück multiplizieren sich schliesslich gegenseitig.
Wie wichtig ist für ein Start-up neben Glück der Standort? Muss ein IT-Start-up zwingend im Silicon Valley zu Hause sein?
Google, Apple, Facebook: Alle sind sie im Valley gegründet worden oder später dorthin gezogen. Allerdings verliert das Valley an Bedeutung. Der Grund: Das Internet weicht die Bedeutung einzelner Standorte auf. Skype wurde zum Beispiel in Europa gegründet. Und in Zukunft werden wir immer mehr neue
IT-Firmen ausserhalb des Valleys sehen.
Albert Wenger ist Partner bei der Investment-Gesellschaft Union Square Ventures in New York City und war in dieser Funktion Kapitalgeber bei Tech-Firmen wie Etsy und Tumblr. Wenger ist in Deutschland aufgewachsen, lebt heute aber in den USA. Er studierte in Harvard Wirtschaft und Informatik und doktorierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Informatik.