FinanzkriseDer Euro spaltet Europa
An den Rändern der Eurozone wächst die Skepsis gegenüber der Einheitswährung. Bis vor ein paar Monaten schien der Euro ein Garant für Sicherheit in ungewissen Zeiten zu sein. Doch seit die Finanzkrise auch Europa mit voller Härte trifft, akzentuieren sich die Probleme besonders an der Peripherie der Währungszone.
Die Fliehkräfte an den Rändern des Euroraums nehmen zu. Dabei erschien die Währungszone noch vor wenigen Monaten als sicherer Hafen im Sturm der Finanzkrise: Draussen sahen Nicht-Euro-Länder wie Island und Ungarn ihre Währungen abstürzen, Banken in den USA und Grossbritannien gingen unter. Doch inzwischen scheint die Mitgliedschaft im Club der 16 keine Garantie für Haushaltsstabilität mehr zu sein.
Unter den Euro-Staaten haben sich unübersehbare Differenzen aufgetan: Auf der einen Seite steht Deutschland, Grundstein des Euro-Gebäudes, das eine Politik vergleichsweise kleiner Risiken verfolgt. Auf der anderen Seite sind Staaten der Peripherie: Irland, Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Diese Regierungen müssen Investoren mit immer höheren Zinsen anlocken, um ihre Anleihen verkaufen zu können.
Nicht nur, dass steigende Zinszahlungen diese Länder noch weiter in die Schulden treiben könnten. Eine weitere Verschuldungspolitik könnte letztlich auch die Gemeinschaftswährung Euro untergaben.
«Irland wird vom Sturm böse zugerichtet»
Die grösste Euro-Skepsis macht sich ausgerechnet in Irland breit, das mehr als zehn Jahre in einem spektakulären Boom lebte. Doch 2008 verdoppelte sich die Arbeitslosigkeit fast, selbst namhafte Unternehmen schlossen Fabriken. Und in dieser Woche meldete Irland den ersten Rückgang der Inflationsrate seit 1960 - ein sicheres Zeichen für die Konsumflaute.
«Irland wird vom Sturm böse zugerichtet», sagt Dan McLaughlin, Chef-Ökonom der Bank of Ireland. Auf seiner Liste der Katastrophen steht das Platzen der Wohlstandsblase, die Kreditkrise und das jüngste Euro-Allzeithoch gegenüber Dollar und britischem Pfund - den Währungen der beiden wichtigsten irischen Exportmärkte. Viele irische Produzenten wünschen deshalb inzwischen, ihr Land hätte den Euro niemals eingeführt.
Am Mittwoch bestätigte die irische Regierung, dass sie jeweils 3,5 Milliarden Euro in die beiden grössten Banken des Landes pumpen will, um klaffende Löcher zu stopfen - internationale Investoren wollen nicht mehr helfen. Eben diese Investoren muss die Regierung jetzt davon überzeugen, dass der irische Staat selbst noch eine sichere Bank ist.
«Ohne den Euro wäre die Krise doppelt so schlimm»
Eigentlich dürfen Euro-Länder nicht mehr als 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts an neuen Schulden aufnehmen. Doch das völlig ausser Kontrolle geratene irische Haushaltsdefizit wird für 2009 auf 11 Prozent geschätzt. Ebenfalls dramatisch ist die Lage an der südlichen Peripherie: Prognosen sehen das spanische Haushaltsdefizit bei 5,8 und das portugiesische bei 4,6 Prozent, das italienische bei 3,8 und das griechische bei 3,7 Prozent. Zwar hat die EU bereits angekündigt, dass sie in der Krise ein Auge zudrücken will.
Doch der Markt zeigt weniger Gnade: Griechenland musste für seine 10-Jahres-Anleihen am Donnerstag bereits durchschnittlich 5,7 Prozent Zinsen gewähren, Irland 5,2 und Portugal und Italien je 4,3 Prozent. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik, die eine bessere Kreditwürdigkeit hat, musste Investoren nur 3,2 Prozent zahlen und damit viel weniger für die Geldbeschaffung ausgeben.
Hätten die Euro-Länder noch ihre eigenen Währungen, könnten die Zentralbanken die Zinsen deutlicher und schneller senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Europäische Zentralbank jedoch verfolgt eine Zinspolitik, die für alle Euro-Länder gilt. Direkte Einflussnahme auf nationale Wirtschaftssysteme ist kaum möglich.
Trotzdem sind sich Analysten einig, dass die Euro-Mitgliedschaft die Gemeinschaft als Ganzes weniger angreifbar macht. «Ohne den Euro wären die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise doppelt so schlimm - mit Abwertungen, die höhere Zinsen und höhere Arbeitslosigkeit ausgelöst hätten», sagt Yves-Thibault de Silguy, früher EU-Finanzkommissar.
Allerdings sind sich Ökonomen einig, dass die Euro-Staaten gegen Verschuldung und Rezession auf eigene Faust kämpfen müssen - schliesslich sind auch die Probleme vor allem hausgemacht. «Doch einige Länder werden nicht mehr mithalten können», warnt Simon Tilford, Chef-Ökonom des Londoner Center for European Reform. «Wir werden immer grössere Haushaltsdefizite sehen.»
«Besser geschützt, aber weniger Raum für Manöver»
Eine dramatische Krise durchleidet auch Portugal: Gründe für die steigende Verschuldung sind Ineffizienz, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und extreme Abhängigkeit von Energieimporten, wie Ökonom Goncalo Pascoal erklärt. Er sieht die Mitgliedschaft in der Eurozone als Vor- und Nachteil: Einerseits würden die aggressivsten Währungsspekulanten abgehalten. Doch gleichzeitig könne Portugal seine Wirtschaft nicht mit noch niedrigeren Zinsen anschieben: «Wir sind jetzt besser geschützt. Aber wir haben weniger Raum für finanzielle und politische Manöver als unsere internationalen Wettbewerber.» (dapd)