Teilen muss nicht zwingend nachhaltig sein

Publiziert

Sharing EconomyTeilen muss nicht zwingend nachhaltig sein

Die Sharing Economy gilt bei vielen als Versprechen für die Nachhaltigkeit. Durch gesteigerten Konsum könnten die positiven Effekte des Teilens aber hinfällig werden.

von
F. Lindegger
Das Charsharing-Angebot Mobility hat sich in der Schweiz etabliert.
Teilen statt besitzen lautet das Motto der Sharing Economy. Statt sich für den einmaligen Gebrauch eine Bohrmaschine zu kaufen, bieten verschiedene Portale die Möglichkeit, eine solche Maschine umsonst oder für einen kleinen Beitrag auszuleihen.
Zu den bekanntesten Beispielen der Sharing Economy gehört die Wohnplattform Airbnb.
1 / 7

Das Charsharing-Angebot Mobility hat sich in der Schweiz etabliert.

Keystone/Gaetan Bally

Unternehmen der Sharing Economy verweisen gerne darauf, dass ihre Angebote Ressourcen schonen und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Airbnb veröffentlichte etwa 2014 eine Studie, die aufzeigte, dass die Kunden des Diensts 2013 in Europa so viel CO2 einsparten, wie 200'000 Autos produzierten, weil sie statt der Hotelinfrastruktur bestehende Wohnungen nutzten.

Carsharing an Stelle eines eigenen Autos oder eine Bohrmaschine ausleihen, statt eine kaufen: Auf den ersten Blick leuchtet es ein, dass mit dem Teilen Ressourcen geschont werden können. Wird das durchs Teilen eingesparte Geld aber in einen Städtetrip investiert, ist der positive Effekt schnell dahin. Genau dies wurde in einer Studie des Boston College festgestellt: Die US-Forscher kamen zum Schluss, dass die Nutzer von Airbnb durch den Dienst öfter reisten oder dass die Verfügbarkeit von günstigen Fahrdiensten Verbraucher vom öffentlichen Verkehr weglocke.

Negativer Einfluss aufgrund des Rebound-Effekts

In dieses Bild passen auch die Zahlen, die der englische «Economist» ermittelte. Im Juni 2013 wurden in New York 14,7 Millionen Fahrten durch traditionelle Taxis sowie Uber verzeichnet. Im Juni diesen Jahres betrug diese Zahl 15,8 Millionen. Laut einer Studie des deutschen Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) warben einerseits Fahrdienstanbieter wie Uber den klassischen gelben Taxis Kunden ab, andererseits konnten – vor allem in den Aussenbezirken – neue Kunden gewonnen werden, die vorher nicht mit dem Taxi unterwegs waren. Die Autoren der IZA-Studie führen dies vor allem auf die günstigen Preise von Uber und Co. zurück, die bewirkten, dass sich mehr Leute eine Fahrt mit Chauffeur leisten könnten.

Diese indirekten Wirkungen werden auch Rebound-Effekt genannt. «Der Rebound-Effekt ist die längere, häufigere oder intensivere Nutzung einer Ressource aufgrund der gesteigerten Effizienz», erklärt Friedel Bachmann, der am Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Zürich forscht. In Bezug auf den Energieverbrauch hänge es aber immer auch davon ab, in welchem Rahmen dieser betrachtet werde. «Eine Studie von Interface-Politikstudien und Infras zu Mobility-Carsharing zeigte etwa, dass drei Viertel der privaten Nutzer mehr Energie verbrauchten als zu der Zeit, bevor sie das Angebot nutzten.» Unter dem Strich, so ein Fazit der Studie, sei durch das Carsharing aber trotzdem Energie eingespart worden. «Die Einsparungen jener, die weniger Energie verbrauchten als zuvor, haben insgesamt den Mehrverbrauch überwogen», sagt Bachmann.

Lukratives Geschäft

Grundsätzlich seien die Auswirkungen der Sharing Economy auf den Energieverbrauch aber komplex und schwierig zu quantifizieren. Bisher wurden diese Effekte denn auch noch wenig erforscht. Bachmann und seine Kollegen befassen sich deshalb zurzeit im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 71 mit den Auswirkungen der Sharing Economy auf den Energieverbrauch. Eines der Ziele ist unter anderem, die Produktkategorien mit dem grössten Potenzial für Energieeinsparungen durch die Sharing Economy zu identifizieren.

Firmen sind bisher vor allem mit Anwendungen im Bereich der Mobilität aktiv: Carsharing-Unternehmen wie Mobility sind etabliert und der Fahrdienst Uber soll inzwischen gar mit mehr als 60 Milliarden Dollar bewertet sein. Zum Vergleich: Der US-Autobauer Ford hat an der Börse einen Wert von rund 56 Milliarden Dollar. Teilen statt besitzen ist in jedem Fall auch ein lukratives Geschäft.

Deine Meinung zählt