KlangteppichBraucht es die Musik in den Läden?
Das britische Warenhaus Marks & Spencer hat die Musik in seinen Filialen wegen Reklamationen abgeschaltet. In Schweizer Läden dudelt es derweil weiter.
In Warenhäusern läuft meist Musik. Gewissen Kunden gefällt das, andere nervt es eher. (Video: Kaspar Wolfensberger)
Für den Briten Nigel Rodgers ist die Hintergrundmusik beim Shoppen «genauso schlimm wie Passivrauchen». Gequält vom ewigen Gedudel aus der Konserve, kämpft er seit Jahren für mehr Ruhe in Geschäften.
Gerade hat seine Gruppierung Pipedown den grössten Erfolg seit ihrer Gründung gefeiert: Die Warenhauskette Marks & Spencer ist nach einer Unterschriftensammlung eingeknickt und hat die Musik in den Filialen abgeschaltet. Rodgers freut sich: «Unsere Umwelt ist ohnehin schon zu laut», sagte er zur Nachrichtenagentur AFP, «wir werden ständig künstlich stimuliert – dafür ist der Mensch nicht gemacht.»
Von ohrenbetäubend bis dezent
Shoppen in der Schweiz wäre für den ruheliebenden Briten eine ebenso grosse Qual wie in seinem Heimatland. 20 Minuten hat in der Zürcher Bahnhofstrasse die Stichprobe gemacht. Praktisch in allen Läden gibt es Beschallung: Ohrenbetäubend laute Auto-Tune-Klänge bei Tally Weil, House und Pop bei H&M in mittlerer Lautstärke oder Mainstream-Songs in den Warenhäusern Manor, Jelmoli oder Coop City – dort schon im niedrigeren Dezibel-Bereich.
Für Schweizer Warenhäuser und Shoppingcenter wäre es denn auch nicht denkbar, auf die Geräuschkulisse zu verzichten. In den Gängen des Einkaufszentrums Glatt läuft ein Mix aus Mainstream-Pop. «Das Beschallen ist wichtig für eine positive Grundstimmung», sagt Glatt-Sprecher Rageth Clavadetscher zu 20 Minuten. Durch dezente Hintergrundmusik würden sich die Kunden entspannen, ihr hektischer Alltag werde entschleunigt.
Auch bei Manor heisst es, die Hintergrundmusik trage «zu einer entspannten Einkaufsatmosphäre» bei. Sprecherin Elle Steinbrecher räumt aber ein, dass der Stil und die Lautstärke Geschmacksache seien. Die Musik ganz abzuschalten sei derzeit trotzdem kein Thema.
Langsame Musik führt zu mehr Umsatz
Laut einer Studie der Universität St. Gallen liegen die Anbieter richtig damit, auf Hintergrundmusik zu setzen. Sie sei massgebend für ein «wohltuendes Erlebnis» beim Shoppen. Das wiederum beschert den Anbietern mehr Einnahmen. Auch das Tempo der Musik spielt eine wichtige Rolle: In Warenhäusern führe langsame Musik zu einem höheren Umsatz als schnelle, heisst es in der Studie. Und Musik in Moll beruhige die Kunden, wodurch sie unbewusst länger im Laden blieben und mehr einkaufen würden.
«Schmerzfreie» Musik
Viele Warenhäuser und Shoppingcenter setzen auf externe Anbieter, die ihnen Musik-Playlists zur Verfügung stellen. Das Einkaufszentrum Glatt etwa arbeitet mit der Firma Mood Mountain zusammen, einem Anbieter von Musiklösungen für den Geschäftsbereich.
Die Playlists werden jeweils individuell aufgrund der Kundenwünsche zusammengestellt. In Warenhäusern sollte die Hintergrundmusik laut einem Mood-Mountain-Sprecher möglichst «schmerzfrei» sein – sprich dem Sound entsprechen, der nicht stört oder irritiert. Auf welche Songs die Firma jeweils setzt, ändert sich etwa alle ein bis zwei Monate.