Hektischer SeptemberAuf die Börsen kommen unruhige Tage zu
Vor Investoren liegen aufreibende Wochen: Eine ganze Reihe schwer einzuschätzender Faktoren dürfte die seit Jahresbeginn positive Entwicklung an den Märkten beeinflussen.

An der Wall Street in New York wird es in den kommenden Tagen hektisch werden.
Investoren bereiten sich auf einen unruhigen Monat vor: Seit Beginn des Jahres hat der US-Aktienmarkt um 16 Prozent zugelegt, doch bedrohen eine ganze Reihe von Faktoren die weitere Entwicklung. Dazu zählen die Vorlage der aktuellen US-Arbeitsmarktzahlen, die Debatte über eine Militäraktion gegen Syrien und ein möglicher neuer Streit über die Schuldenobergrenze des Haushalts.
Auch einer Sitzung der US-Notenbank Fed blicken die Investoren mit Spannung entgegen. Unklar ist, ob sie ein Ende ihrer Politik der Anleihenkäufe zur Stützung der Wirtschaft einleitet. Im Mai hatte Notenbankchef Ben Bernanke erklärt, dass die Fed zu einem solchen Schritt bereit sei, wenn die Wirtschaft kräftig genug erscheine. Seither wird an der Wall Street über den Zeitplan der Notenbank spekuliert. In jeder grösseren Marktentwicklung in diesem Sommer sahen Händler und Investoren den Einfluss Bernankes.
Historisch schwieriger Monat
Auch historisch gilt der September als schwieriger Monat. Seit 1945 fiel der Standard & Poor's 500 Index in fast sechs von zehn Jahren. Durchschnittlich verlor er 0,6 Prozent.
Im Folgenden bietet die Nachrichtenagentur AP einen Überblick über bevorstehende Ereignisse im September, die die Märkte erschüttern könnten. Mit Blick auf Bernankes Einfluss werden die Ereignisse gewichtet. Dazu dient eine Skala, die von «einem Bernanke» (keine grössere Sache) bis «fünf Bernankes» (grösste Vorsicht geboten) reicht.
Die Vorlage des US-Arbeitsmarktberichts am 6. September (Gewichtung: drei Bernankes)
Der offizielle Arbeitsmarktbericht ist für die Märkte immer wichtig, dieser aber ganz besonders. Denn es ist der letzte grössere Wirtschaftsbericht vor der monatlichen Sitzung der Fed. Die Unternehmen schafften in den Sommermonaten Juni bis August deutlich weniger neue Stellen als erhofft, wie am Freitag bekannt wurde. Die enttäuschenden Zahlen könnten die Notenbank Fed dazu verleiten, ihre Konjunkturhilfen langsamer zurückzufahren als von vielen Fachleuten erwartet.
- Debatte im US-Kongress über eine Militäraktion gegen Syrien am 9. September (Gewichtung: zwei Bernankes)
Der Kongress beendet seine Sommerpause am 9. September, und Syrien steht voraussichtlich ganz oben auf der Tagesordnung. Präsident Barack Obama hat den Kongress aufgefordert, eine Militäraktion gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad als Reaktion auf dessen mutmasslichen Einsatz von Chemiewaffen gegen Regierungsgegner zu unterstützen.
Investoren sind über die Folgen eines möglichen Militäreinsatzes besorgt. Ein grösserer Konflikt würde vermutlich den Ölpreis nach oben treiben und den Konsum in den USA drücken. Bei hohen Ölpreisen fallen die Aktienkurse üblicherweise.
- Sitzung der US-Notenbank am 17. und 18. September (Gewichtung: drei Bernankes)
Viele Akteure an der Wall Street vermuten, dass die Fed bei dieser Sitzung beschliesst, ihre monatlichen Anleihekäufe im Umfang von 85 Milliarden Dollar allmählich auslaufen zu lassen. Die Händler konnten sich in den vergangenen Monaten bereits auf einen solchen Schritt einstellen.
Sollte die Fed also erwartungsgemäss vorgehen, dürfte der Aktienmarkt darauf kaum reagieren. Doch was passiert, wenn sich die Dinge anders entwickeln? Ein radikaler Einschnitt in das Anleihekaufprogramm - etwa auf 55 Milliarden Dollar monatlich - könnte die Märkte stark verunsichern. Doch da die Notenbank Wert darauf legt, berechenbar zu handeln, gilt ein solcher Schritt als unwahrscheinlich.
- Bundestagswahl in Deutschland am 22. September (Gewichtung: zwei Bernankes)
Von Ende 2009 bis zum vergangenen Jahr liess die Sorge über einen möglichen Zahlungsausfall eines europäischen Staats die US-Märkte häufig ins Trudeln geraten. Die Bundestagswahl wird die Schuldenkrise in Europa voraussichtlich wieder ins Rampenlicht rücken. Viele Investoren setzen darauf, dass die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus der Wahl gestärkt hervorgeht.
Erwartet wird, dass die neue Bundesregierung tiefgreifende Reformen für die 17 Euro-Staaten in Angriff nimmt, was innerhalb der EU zu Differenzen führen dürfte. Die Staatengruppe der Eurozone stellt weltweit die zweitgrösste Volkswirtschaft. Läuft es dort nicht rund, werden das nach Einschätzung von Experten auch US-Investoren zu spüren bekommen.
- Ablauf von Fristen für den US-Haushalt am 30. September (Gewichtung: fünf Bernankes)
Um den öffentlichen Dienst funktionsfähig zu erhalten, muss der Kongress vor Beginn des neuen Haushaltsjahres am 1. Oktober ein kurzfristiges Ausgabengesetz verabschieden. Probleme dabei könnten zur Schliessung von Behörden führen. Doch das gilt nur als Prolog für das eigentliche Thema: ein weiterer Streit um die Schuldenobergrenze.
Finanzminister Jacob Lew warnte vergangene Woche, dass die Regierung ab Mitte Oktober nicht mehr alle ihre Rechnungen begleichen könne, wenn die Abgeordneten nicht bis zu diesem Zeitpunkt die Schuldenobergrenze von gegenwärtig 16,7 Billionen Dollar anhöben.
John Boehner, der republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, kündigte an, die Schuldenobergrenze nutzen zu wollen, um grössere Ausgabenkürzungen zu fordern - und zeigte sich dabei kampflustig. Viele Investoren fühlen sich an den Streit um die Haushaltsobergrenze im August 2011 erinnert, der die Kurse weltweit einbrechen liess. Zugleich hoffen sie, dass der Kongress in letzter Minute zu einer Einigung finden wird.
In einer früheren Version dieses Artikels war fälschlicherweise von einer Schuldenobergrenze von 16,7 Billiarden die Rede. (sda)