OECD-VergleichDie Reallöhne in der Schweiz stagnieren 2018
Obwohl in Europa die Reallöhne 2018 im Schnitt um 0,6 Prozent steigen dürften, sollen sie in der Schweiz stagnieren.
Schweizer erhalten dieses Jahr besonders schlechte Lohnerhöhungen. Die Reallöhne 2018 werden hierzulande im Schnitt mit 0,0 Prozent unverändert bleiben, wie eine Prognose des Trades Union Congress (TUC) besagt. Von den untersuchten Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schneidet die Schweiz zusammen mit Spanien (-0,1 Prozent), Italien (-0,6 Prozent) und Grossbritannien (-0,7 Prozent) am schlechtesten ab.
Der europäische Durchschnitt liegt bei 0,6 Prozent Reallohn-Erhöhung. Dass die Schweiz im Europavergleich bezüglich der Lohnerhöhungen unter den Schlusslichtern ist, stützt laut Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik Travail Suisse, die Forderung seines Verbands nach einer Nominallohn-Erhöhung von 2 Prozent. «Die Stagnation der Reallöhne in der Schweiz ist angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht gerechtfertigt», sagt Fischer zu 20 Minuten.
«Löhne sollten sich ähnlich entwickeln wie in Deutschland»
Wegen der ähnlichen wirtschaftlichen Lage sollte die Lohnentwicklung laut Fischer mit derjenigen in Deutschland vergleichbar sein. Dort steigen die Reallöhne 2018 laut TUC um rund 1 Prozent. Berücksichtigt man die Teuerung in der Schweiz von etwa 0,5 Prozent, müssten Schweizer eine durchschnittliche Nominalerhöhung von 1,5 Prozent erhalten, um mit der Entwicklung in Deutschland mithalten zu können. Tatsächlich resultierte der Lohnherbst 2017 im Schnitt aber in einer Erhöhung zwischen 0,5 und 1 Prozent.
Bereits Mitte Dezember 2017 hatte Travail Suisse die Arbeitgeber wegen der Lohnrunden scharf kritisiert. Arbeitnehmer könnten bisher nicht von den blendenden Aussichten für die Unternehmen profitieren. Wegen der Teuerung und steigender Krankenkassenprämien würden die meisten mit 0,5 bis 1 Prozent Nominallohn-Erhöhung kaum mehr Geld im Portemonnaie haben.
20 Minuten hat Passanten in Zürich gefragt, ob sie eine Gehaltserhöhung erhalten werden.
Etwas weniger pessimistisch als der TUC sieht es Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse. Er rechnet für 2018 im Schnitt mit einer leichten Reallohnerhöhung von etwa 0,3 Prozent. Mit mehreren Prozent könne man in der Schweiz wegen des hohen Lohnniveaus nicht rechnen.
Zudem sei das Produktivitätswachstum in der Schweiz eher bescheiden. «Die Schweizer Wirtschaft hat schwierige Jahre hinter sich und viele Unternehmen spüren das auch jetzt noch», sagt Minsch. Trotzdem seien die Reallöhne in den letzten Jahren immer leicht gestiegen. Wenn Unternehmen künftig wieder vermehrt Investitionen tätigen und die Produktivität in der Schweiz steigt, könnten die Reallöhne auch stärker steigen, so Minsch.
Aufschwung in Osteuropa
Den grössten Reallohn-Anstieg verzeichnet der TUC mit fast 5 Prozent in Ungarn. Weitere osteuropäische Länder wie Lettland, Polen und die Tschechische Republik liegen an der Spitze. Dass die Löhne vor allem in Osteuropa stark steigen, kann Fischer von Travail Suisse nachvollziehen: «In Ländern wie etwa Ungarn gibt es einen gewissen Nachholeffekt.»
Minsch von Economiesuisse erklärt: «Viele westliche Firmen haben in letzter Zeit stark in osteuropäische Unternehmen investiert.» Darum steige die Produktivität in diesen Regionen rasant, was beim eher niedrigen Lohnniveau zu einem starken Anstieg der Reallöhne führe.
Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, betont, dass man Lohnentwicklung nach Branchen aufschlüsseln müsse. So gebe es etwa im Bauhauptgewerbe eine Nullrunde, was bei einer Teuerung zur Senkung der Reallöhne führe. In anderen Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen gebe es dagegen deutliche Erhöhungen.
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