Auch Sie müssen mit Negativzins rechnen

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Banken unter DruckAuch Sie müssen mit Negativzins rechnen

Als Folge des Brexit drohen noch tiefere Negativzinsen. Und sie könnten nicht nur Banken und grössere Unternehmen, sondern auch Privatleute treffen.

Isabel Strassheim
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Isabel Strassheim
Werden Sparer bald mit Negativzinsen bestraft, wenn sie ihr Geld auf die Bank bringen?

Werden Sparer bald mit Negativzinsen bestraft, wenn sie ihr Geld auf die Bank bringen?

Keystone/Martin Ruetschi

Nach dem Entscheid der Briten gegen die EU erwartet ein Teil der Ökonomen wegen der sich verschärfenden Wirtschaftslage eine weitere Zinssenkung: Europäische Zentralbank und in Folge auch die Schweizerische Nationalbank könnten im September die Zinsen noch tiefer ins Minus drücken. Und dann könnten auch private Sparer der Bank fürs Hüten ihrer Guthaben eine Gebühr zahlen müssen.

Chefökonom Karsten Junius von der Basler Bank J. Safra Sarasin geht davon aus, dass der Zins in der Schweiz auf minus ein Prozent fällt, wie er gegenüber 20 Minuten betont. Das heisst, die Banken werden für das Geld, das sie über einem bestimmten Freibetrag hinaus bei der Zentralbank deponieren, noch stärker zur Kasse gebeten.

Druck auf Banken steigt

Damit steigt der Druck, diese Gebühr auch an die Privatkunden weiterzureichen. Es ist durchaus möglich, dass auch private Sparguthaben ab einer gewissen Höhe mit dem Negativzins belastet werden», erläutert Chefökonom Junius. Denkbar wäre etwa eine Gebühr für Vermögen ab 100'000 Franken.

Die UBS gibt den Negativzins bislang nur an Unternehmen weiter. Das könnte sich ändern, sagt der Chef der Grossbank, Sergio Ermotti, im Interview der «SonntagsZeitung»: Wenn die Nationalbank «ihren Kurs massiv verschärft», könnten vermögende Privatpersonen für ihr bei der Bank deponiertes Geld zahlen müssen. Ermotti hatte dies zwar schon einmal im Mai in Aussicht gestellt. Nach dem Brexit-Votum ist dieser Schritt nun aber noch näher gerückt.

Chefökonom Junius warnt jedoch vor den Konsequenzen eines Negativzinses für Private: «Die logische Folge wird dann sein, dass Aktien und Immobilien dann noch gesuchter sein werden.» Vor allem aber werde die Flucht in Bargeld dann ein Thema. «Zum Teil auch für Pensionskassen.»

Auch der Chefökonom der Credit Suisse, Oliver Adler, betont gegenüber 20 Minuten, dass Negativzinsen für Sparkonten politisch und gesellschaftlich kaum gewollt sein können. Eine Flucht in Bargeld wäre auch weder im Interesse der SNB noch der Banken. «Aber letztlich wäre die Weitergabe von Negativzinsen ein geschäftspolitischer Entscheid der Banken», so Adler. «Im Moment sieht es nicht danach aus, dass die Profitabilität der Banken durch den Negativzins stark in Mitleidenschaft gezogen wird.» Die Banken fangen die Zinsgebühr nämlich bislang durch höhere Hypothekensätze auf.

Brexit verschärft die Situation

Die Zeichen stehen nun allerdings auf Sturm: Der Brexit schüttelt die Konjunkturaussichten und damit auch das Geschäftsmodell der Banken unerwartet durcheinander. Die Krise in der EU könne über Jahre eine lähmende Unsicherheit bringen, warnt Ermotti im aktuellen Interview: «Die heutige Lage hat eine andere Dimension als die Finanzkrise, eine systemische Dimension.»

Die Finanzkrise 2008 war vom Handel mit faulen Krediten-Papieren ausgegangen, das das Vertrauen in den Geldmarkt und die Banken untergrub. Der Kurssturz der Bank-Aktien in den letzten Wochen ist laut Ermotti aber nicht im mangelnden Vertrauen in die Banken begründet, sondern in ernsten Konjunktursorgen, die auch die Finanzinstitute trifft.

Derzeit müssen Banken in der Schweiz der Notenbank für Einlagen ab einem gewissen Freibetrag derzeit einen Zins von 0,75 Prozent bezahlen. In der Eurozone liegt der Einlagenzins derzeit bei minus 0,4 Prozent.

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