Auf dieser Bühne sind Loser total sexy

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FuckUp NightAuf dieser Bühne sind Loser total sexy

In der Regel schweigt man berufliches Scheitern tot. Nur nicht an den FuckUp Nights. Da sind Pleiten im Beruf Programm.

C. Landolt
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C. Landolt

Gerichtsverfahren, Steuerschulden, an die Wand gefahrene Unternehmen: Davon erzählt man normalerweise nicht mal Freunden und Familie gerne. Von Fremden ganz zu schweigen. Doch bei den FuckUp Nights passiert genau das: Menschen stellen sich vor Publikum – und erzählen von den Momenten in ihrem Leben, als alles schiefging.

Ein Fehlschlag sei die beste Vorbereitung für einen kometenhaften Aufstieg, finden die Initianten der weltweiten Bewegung FuckUp Nights. Ihr Ziel: die Enttabuisierung von unternehmerischen Pleiten. Begründet wurde der Aufstand der Verlierer von der Mexikanerin Leticia Gasca. Heute werden ihre Loser-Happenings von bis zu 1400 Menschen besucht, in 54 Ländern und 151 Städten.

In Genf und St. Gallen

In der Schweiz gibt es FuckUp Nights von Genf über Zürich bis St. Gallen. Dort organisiert sie der Jurist Claudius Krucker. Er ist selbst Jungunternehmer und vermietet Arbeitsplätze an Kreative. Auf die Idee, selbst solche Events zu organisieren, kam er, als eine Spanierin, die bei ihm einen Arbeitsplatz mietete, davon erzählte. «Ich fand es faszinierend, weil es der Gegenentwurf zu den üblichen Jungunternehmen-Präsentationen ist.»

«Misserfolge sollen nicht das unternehmerische Ziel sein, aber wenn einem ein solcher widerfahren ist, lernt man sehr viel daraus», folgert Krucker. Auch zwei Jungunternehmer aus der Region St. Gallen haben an seiner letzten FuckUp Night von ihrem Scheitern erzählt. Der eine hatte als Student die Idee, für tausende Franken Bier einzukaufen und es an Ostschweizer Haushalte auszuliefern. Eine längerfristige Planung für das Vorhaben fehlte indes – und er scheiterte. Ein anderer vermittelte Musiker und verschuldete sein Start-up wegen Fehlplanung mit 60'000 Franken. Heute sind laut Krucker beide in anderen Domänen tätig –mit Erfolg.

Verzweiflung und Scham

«Ein Konkurs stürzt die Menschen häufig in eine persönliche Krise», erzählt Krucker. Misserfolg sei in unserem Kulturkreis noch zu sehr mit Scham besetzt. Seine Events sollen einer «fehlerverzeihenden Toleranzkultur» Vorschub leisten, aber keine Selbstentblössung sein. «Ich möchte nicht, dass die Leute auf der Bühne weinen», sagt er. FuckUp Nights seien kein Seelenstriptease und auch keine Hipster-Chose, sondern ein Erfahrungsaustausch, der helfe, unternehmerische Irrtümer als Lernerfolg zu verstehen.

Vorbild dieser Geisteshaltung sind die USA. «Fail faster!» ist der inoffizielle Wappenspruch des Silicon Valley. Gemeint ist: Wer schneller scheitert, lernt schneller und hat schneller Erfolg. Diese positive Sicht auf Misserfolge gilt als einer der grossen Erfolgsfaktoren des Silicon Valley. Bestes Beispiel für einen Unternehmer, der es erst im zweiten oder dritten Anlauf geschafft hat, ist Steve Jobs, der mit 20 Apple mitgegründet hat und zehn Jahre später vom selbigen Unternehmen gefeuert wurde.«Ich war am Boden zerstört», sagte Jobs einmal in einer Rede. Dass ihn Apple gefeuert habe, sei rückblickend das Beste, was ihm habe passieren können. Er habe so die Möglichkeit gehabt, das zu tun, was ihm gefiel. Heute ist Apple bekanntlich die wertvollste Marke der Welt.

Start-ups haben in den USA grundsätzlich einen anderen Status. Sie boomen dort auch deswegen, weil die Pensionskassen jeweils 5 Prozent ihres Kapitals in sogenannten Venture Funds für Investitionen in Start-ups anlegen. Würde die Schweiz dasselbe tun, kämen bis 2030 gegen 40 Milliarden zusammen.

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