Personalisierte RabatteAufregung um neues Coop-Preismodell
Aufgrund der Kundendaten-Analyse führt der Coop@home-Shop individuelle Rabatte ein. Der Deal «Daten gegen günstigere Preise» sei unfair, so Konsumentenschützer.
Coop-Chef Joos Sutter hat es regelmässig betont: Big Data sei ein enorm wichtiges Thema für den Detailhändler. Konkreten Fragen, was Coop mit den ausgewerteten Kundendaten genau plane, wich Sutter jeweils aus. Nun wird klar: Der Detailhändler hat am System der personalisierten Preisgestaltung gearbeitet. Wie die «Schweiz am Sonntag» berichtet, testet der Detailhändler im Coop@home-Shop individuelle Rabatte. Eine Software analysiert das Shoppingverhalten der Kunden und gewährt je nach Warenkorb und Lagerbeständen unterschiedliche Rabattstufen.
Konkret ermöglicht das System beispielsweise Folgendes: Wer ständig das günstige Prix-Garantie-Bier kauft, wird mit einem hohen Rabatt fürs teurere Markenbier geködert. Der regelmässige Markenbiertrinker zahlt hingegen den vollen Preis. Er erhält aber womöglich einen Rabatt für zum Bier passende Snacks.
Entwicklung in die falsche Richtung
Bei der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) kommt die neue Coop-Wunderwaffe nicht gut an. «Dieses System wird bei den Konsumenten insbesondere im Bereich der Alltagsprodukte für Empörung sorgen», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder zu 20 Minuten.
Beim Konsumentenforum (kf) heisst es auf Anfrage, es sei legitim, wenn sich ein Detailhändler über neue Möglichkeiten der Preisgestaltung Gedanken mache. «Es stellt sich aber die Frage, ob das System diskriminierend ist», sagt kf-Präsidentin Babette Sigg Frank. Sie will nun das Gespräch mit Coop suchen. Noch könnten die Konsumenten auf andere Detailhändler ausweichen, richtig problematisch werde es aber, wenn das System in der ganzen Branche zum Einsatz komme.
Kritisch ist auch Detailhandelsexperte Gotthard F. Wangler. «Personalisierte Rabatte sind eine Entwicklung in die falsche Richtung. Die Kunden werden manipuliert», sagt Wangler zu 20 Minuten. Er befürchtet eine unfaire Ungleichbehandlung der Kunden und das Ende der klaren Preisgestaltung. Laut Wangler werden die Kunden dieses System nur schwer akzeptieren.
«Coop behandelt alle Kunden gleich»
Bei Coop wehrt man sich gegen den Vorwurf, das System sei unfair: «Coop bietet den Kunden gleiche Preise, daran wird nicht gerüttelt. Gerechtigkeit ist wichtig», betont Sprecher Urs Meier. Er erklärt: Man teste für Coop@home einfach zeitlich begrenzt eine Software, die individuelle Produktempfehlungen und Probier-Bons mit Rabatten ermögliche. Und auch dies nur, wenn die Kunden dies wünschten.
Den Algorithmus fürs «Personalized Pricing» liefert die deutsche Firma Prudsys. Vorerst wird die Sache bis 2016 im Online-Handel getestet. Laut Marktkennern ist es aber nicht ausgeschlossen, dass derartige Systeme den stationären Handel erreichen und die Person in der Schlange vor einem für die gleichen Baby-Windeln weniger bezahlt, weil sie der Auswertung der Kundenkartendaten zugestimmt hat. Den Deal «Daten gegen günstigere Preise» bezeichnet Stalder als unfair. Wofür die Daten genau verwendet werden, wüssten viele Konsumenten nicht. «Es ist oft ein unausgewogener Tauschhandel zugunsten der Detailhändler», kritisiert Stalder.
Konflikt mit AGB?
Wer bei coop@home einkauft, stimmt über die AGB der Datenauswertung zu. Dort schreibt der Detailhändler: Die Details der Bestellungen können ausgewertet und innerhalb der Coop-Gruppe weitergegeben werden. Coop@home sei aber nicht am Einkaufsverhalten einzelner Personen interessiert. Sind die personalisierten Rabatte kein Widerspruch mit den AGB? Coop-Sprecher Urs Meier verneint. «Dank der Auswertung könnten die Kunden individuell angesprochen werden. Wir wollen treue Kunden mit personalisierten Rabatten belohnen können.»
Keine personalisierten Rabatte und Preise einführen will die Migros. «Wir wollen niemanden diskriminieren», sagt Dominique Locher, Chef des Migros-Online-Kanals Le Shop zu 20 Minuten. Ob in einem Tankstellenshop, im Supermarkt oder Online, die Migros habe in allen Formaten die gleichen Preise. Einer Analyse der Kundendaten stimmen über die AGB aber auch die Einkäufer von Le Shop zu. «Die Datenauswertung verbessert unser Wissen über die Kunden», sagt Locher. Man zeige den Kunden beispielsweise, welche Produkte sie sonst noch kaufen könnten oder lasse ihnen personalisierte Produktangebote zukommen.

Herr Meier*, je nach Kunde gibt es bei Coop@home nun unterschiedliche Preise. Das ist doch höchst unfair
Bei Coop@home soll jeder interessierte Kunde ganz individuell profitieren können. Die Preise als solche bleiben aber gleich. Das ist ganz wichtig. Sonst wäre das tatsächlich ungerecht. Individuell sind nur die Rabatte.
Kundendaten gegen günstigere Preise: Weshalb soll das für die Kunden ein guter Deal sein?
Viele Leute ärgern sich über Aktionen und Rabatte, für die sie keine Verwendung haben. Sie wünschen sich persönliche Angebote, von denen sie profitieren können. Darum testen wir für Coop@home individuelle Produktempfehlungen, beispielsweise Probier-Bons mit Rabatten. Wer gerne Glacé hat, erhält eher einen Probier-Coupons für Glacé als für Kartoffelchips.
Sie der erste Schweizer Detailhändler, der nach Analyse des Einkaufsverhaltens die Rabatte personalisiert: Fürchten Sie keine negativen Reaktionen?
Dies ist ein zeitlich beschränkter Test, bei welchem die Kundenzufriedenheit ausschlaggebend ist. Wir wollen unsere Kunden nicht verärgern, sondern sie entsprechend ihren Bedürfnissen profitieren lassen. Zurzeit gibt es keine Pläne, das System im Supermarkt einzuführen.
*Urs Meier ist stv. Leiter der Coop-Medienstelle
Big Data im Detailhandel
Klar ist: Die Auswertung der Kundendaten und ist im Detailhandel ein grosses Thema. Der Trend zu personalisierten Angeboten und zum vertieften Know-How über die Käufer werde sich in den nächsten Jahren noch verstärken, heisst es bei den Marktforscher von GfK. «Daten sind im Detailhandel das Gold von morgen», sagt Le-Shop-Chef Locher. Wichtigstes Mittel für Big Data im Detailhandel sind die Kundenkarten. Laut GfK hat die Migros rund 2,8 Millionen Kundenkarten im Umlauf, Coop kommt sogar auf 3,1 Millionen Supercard-Nutzer. (sas)