Bitcoin gehacktCyber-Dollar schmiert ab
Das Vertrauen in die Online-Währung Bitcoin ist erschüttert: Ein Unbekannter entwendet 500 000 Bitcoin; der Kurs kollabiert.

Digitales Geld — auch im 21. Jahrhundert noch Zukunftsmusik?
Es geschah am Wochenende, von einer Hongkonger IP-Adresse aus: Ein Unbekannter hackte die Konti von Bitcoin-Besitzern und stahl auf einen Schlag 7,7 Prozent aller verfügbaren Cyber-Dollar. Das entspricht 500 000 der 6,5 Millionen bisher geschürften Einheiten.
Die virtuelle Währung Bitcoin wurde 2009 von einem gewissen Satoshi Nakamoto bekannt gemacht. Jeder kann sich die Cyber-Dollar «verdienen», indem er per Computer einen komplexen Code entschlüsselt.
Allerdings reagiert das neue Konstrukt noch hochempfindlich auf derartige Attacken: Auf der populärsten Handelsplattform der Online-Währung, Mt. Gox, brach kurz nach dem Angriff die Währung ein (siehe Video). Lag der Wechselkurs vor der Attacke noch bei 17 Dollar, stürzte er innert kürzester Zeit auf wenige Pennies. Der Handel wurde ausgesetzt, die Betreiber der Handelsplattform wollen nun gut 3500 Transaktionen rückgängig machen. In der Zwischenzeit hat sich der Kurs wieder etwas erholt und liegt bei gut 14 Dollar.
«Überfall auf eine Wechselstube»
Der genaue Hergang des Einbruchs ist noch nicht geklärt. Hannes Gassert, Gründer der Web-Entwicklerfirma Liip, deutet den Vorfall aber folgendermassen: «Es handelte sich um einen kleinen, kaum erfolgreichen, aber trickreichen Überfall auf eine Wechselstube.»
Da Bitcoin in einer frühen Phase mit kleinen Geldmengen und wenigen Akteuren stehe, könnten bereits kleine Vorfälle grosse Turbulenzen auslösen. Gassert: «In der Frühphase ist das Gesamtsystem sehr instabil.»
Der Vorfall gibt also den Kritikern recht, die stets die Instabilität der Währung angekreidet haben. «Der Hackingvorfall hat klar gezeigt, dass das BitCoin-System durch die (böswillige) Manipulation der Marktteilnehmer ins Trudeln geraten kann», so Thomas Dübendorfer, Präsident der Information Security Society Switzerland (ISSS).
Weg ist weg
Bei Bitcoins sind die Folgen eines Diebstahls dieselben wie bei Bargeld: Klaut zum Beispiel ein Virus ein virtuelles Portemonnaie, ist das Geld futsch. Genau gleich wie beim Fünfliber in der Hosentasche.
Der IT-Spezialist Marc Ruef, Mitinhaber der Schweizer IT-Sicherheitsberatungsfirma Scip, sagt, Bitcoin habe mit der Attacke einen herben Schlag erlebt. «Ich kenne viele Leute, die sich nach Bekanntwerden des Zwischenfalls unverzüglich vom System abgewendet haben.»
Dabei sei das aufgetretene Problem nur eines von vielen problematischen Szenarien, das unter Fachkreisen schon seit Beginn der Diskussion um Bitcoin diskutiert wurden.
Fälschungen wären schlimmer
Trotzdem: Den Cyber-Dollar wegen eines isolierten Zwischenfalls gleich abzuschreiben, das halten die Experten für voreilig. «Genau diese Instabilität wird weiter Leute anziehen, die sich gute Gewinne erhoffen», so Gassert. Der Ausbau der Kapazitäten werde weitergehen, die Geldmenge wachsen und die Stabilität zunehmen — theoretisch.
Das Vertrauen in Bitcoin werde zwar noch lange nicht so hoch sein wie in einen Schweizer Franken. «Solange Bitcoins aber nur gestohlen und nicht gefälscht werden, ist das System grundsätzlich intakt», glaubt Gassert. Und überhaupt: Dass etwas gestohlen wird, zeige, dass es relevant ist.
Auch Dübendorfer glaubt, dass solange sich noch keine andere digitale Währung klar etabliert hat, Bitcoin weiter existieren und auch benutzt werden wird.
Der Kursverfall in Real-Time (Video: YouTube)