Der Geld-Tsunami rauscht auf uns zu

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Gefährliche GeldpolitikDer Geld-Tsunami rauscht auf uns zu

Die Notenbanken fluten die Welt mit Geld. Immobilien und Rohstoffe werden immer teurer. Wann hat das Auswirkungen auf die Konsumentenpreise?

Alex Hämmerli
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Alex Hämmerli
Bekommt man dafür bald nur noch einen Laib Brot?

Bekommt man dafür bald nur noch einen Laib Brot?

Die klassische Inflation scheint tot zu sein: Obwohl die Schweizerische Nationalbank (SNB) zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise seit 2008 hunderte Milliarden Franken ins Wirtschaftssystem gepumpt hat und somit laut gängiger Wirtschaftslehre die Preise in astronomische Höhen schiessen müssten, zahlen wir für die Güter des täglichen Gebrauchs heute fast gleich viel wie vor vier Jahren. Das zeigt der Landesindex der Konsumentenpreise des Bundes.

Die Zahlen der Notenbanken sprechen Bände: Seit 2005 hat sich die Bilanz der SNB mehr als verdreifacht. Konkret liegen heute 3,12 Mal mehr Verbindlichkeiten der SNB im Markt als 2005. Die Geldmenge in der der Schweizer Wirtschaft (M3) wurde in dieser Zeit von 586 Milliarden auf 789 Milliarden Franken aufgebläht. Noch kühner agieren die Notenbanker der EU und der USA: Die Bilanzen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notebank (Fed) haben sich in den vergangenen sieben Jahren um den Faktor 3,44 respektive 3,64 erhöht.

Solche Geldschwemmen führten in der Vergangenheit zu den gefürchteten schweren Inflationen: Weil mehr Geld zur Verfügung stand, aber nicht mehr Güter, die man damit kaufen konnte, kam es zu einem Preisanstieg.

Hat Inflation mit der Geldmenge nichts mehr zu tun?

Die Ökonomen Pedro Teles und Harald Uhlig haben das Phänomen untersucht und festgestellt, dass sich die Welt irgendwann gegen Ende des 20. Jahrhunderts verändert hat. Sie zeigen vier Gründe, weshalb sich Inflation und Geldmenge entkoppelt haben:

Erstens rechnen wir schlicht nicht mehr mit hohen Inflationsraten. Denn Anfang der Achtzigerjahre haben die Notenbanker die Bürger davon überzeugt, dass sie die Teuerung rigoros bekämpfen. Da die Konsumenten also nicht panikartig in die Läden stürmen, weil die Angst umgeht, dass die Preise bald anziehen, steigen die Preise auch nicht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer selbst-erfüllenden Prophezeihung. Zweitens sind die Löhne für einfache Arbeiten aufgrund des technischen Fortschritts unter Druck, was die Preisentwicklung ebenfalls dämpft. Drittens hat die Deregulierung der Märkte es einfacher gemacht, Güter billig zu produzieren. Als vierten und wohl wichtigsten Grund führen Teles und Uhlig an, dass durch die Globalisierung viele unserer Güter in Billiglohn-Ländern hergestellt werden.

Vermögenspreise steigen rasant

Doch ist damit die Gefahr der Inflation gebannt? Natürlich nicht. Der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark bringt es auf den Punkt: «Liquidität findet immer einen Weg, sagen wir Notenbanker. Entweder steigen die Verbraucherpreise – oder die Vermögenspreise», sagte er zum Ende seiner Amtszeit dieses Jahr im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen SonntagsZeitung». Soll heissen: Statt Brot und Mieten werden Immobilien, Staatsanleihen, Aktien oder Rohstoffe wie Gold oder Öl teurer. Und diese Preissteigerungen werden im Inflations-Indikator des Bundes kaum berücksichtigt.

Wie die geplatzten Immobilienblasen in den USA, in Irland oder in Spanien zeigen, ist das Spiel mit solchen Vermögensgütern äusserst heikel. Die Gefahr ist gross, dass es zu neuen Blasen kommt. Die UBS berichtet etwa, Eigenheime im mittleren Preissegment seien in den letzten vier Jahren real um über 21 Prozent teurer geworden. Das sei 1984 bis 1988, also vor Platzen der letzten Schweizer Immobilienblase ähnlich gewesen, warnen die UBS-Ökonomen.

Mit dem Aufschwung kommt die nächste Krise

Eine weitere, weitaus grössere Gefahr besteht darin, dass die Inflation letztlich doch bei den Verbraucherpreisen ankommt - wenn die Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder anzieht. Dann müssten die Notenbanken ihre Milliarden wieder vom Markt abziehen. Renommierte Experten bezweifeln, dass das gelingen wird: Deutschlands Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Ökonom Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, warnen vor Inflationsraten jenseits der Fünf-Prozent-Marke. Für die Konsumenten wären die Folgen fatal: Der Alltag würde spürbar teurer.

Bei der SNB versucht man zu beruhigen: «Damit eine lockere Geldversorgung zu Inflation führt, muss der Liquiditätsimpuls erst einmal Wirkung auf die wirtschaftlichen Entscheidungen von Banken, Unternehmen und Konsumenten haben», sagt Sprecherin Silvia Oppliger auf Anfrage von 20 Minuten Online und verweist auf die neuste Inflationsprognose. In der gegenwärtigen Lage mit der extrem grossen Unsicherheit, vor allem im Finanzsektor, sei die Übertragung des geldpolitischen Impulses gestört. «Solange sich diese Situation nicht ändert, besteht auch bei sehr grosser Liquidität keine Inflationsgefahr.»

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