Coop gewinntDer grosse Auf-einem-Auge-blind-Test
Ein «SonntagsBlick»-Test zeigt, dass Coop den besten Zopf macht. Er zeigt aber vor allem, wie Ringier-Blätter über Produkte des Business-Partners berichten.

Grosser Brottest am Sonntag im. «Sonntagsblick»
Vergangene Woche war Andreas «Studi» Studer für den «SonntagsBlick» als Brot-Tester unterwegs. In einem «Blindtest» bewertete der Koch der SF-Sendung «Al Dente» (Markenzeichen: verkehrt aufgesetzte rote Dächlikappe) die Backwaren der Grossisten Migros und Coop sowie der Zürcher Lokalbäckereien Hard und Stocker.
Die Grossen gewannen in fast allen Kategorien. Der Artikel war ein Loblied auf die «ausgetüftelte» industrielle Brotherstellung der Detailhändler, gegen welche die Bäcker «kein Brot hätten».
Zwei Noten für denselben Teig
Die betroffenen Bäckereien Hard und Stocker sind «not amused». Das sei ja wohl «sehr subjektiv» verlaufen, kommentiert Urs Stocker den Test. Edith Lattmann von der Konditorei Hard meint: «Eins ist klar. Dieser Studer hat keine Ahnung von Brot. Unserem St. Galler Pfünder hat er die Note 5.75 gegeben, unserem Zwirbelbrot aber eine 4.5 – dabei sind sie aus demselben Teig gemacht.» Ihr scheine, der Tester sei nicht ganz unbefangen gewesen.
Ringier-Sprecher Edi Estermann widerspricht: «Es war ein Blindtest – Andreas Studer wusste nicht, wessen Brot er ass.» Die Wahl von Studer sei für die Redaktion naheliegend gewesen, weil er bekannt sei.
Besser einen anderen ranlassen
Dass ein Blindtest im Normalfall immer von mehreren Personen durchgeführt wird, um einen rein subjektiven Eindruck zu vermeiden, bleibt im Test unerwähnt. Was der «SonntagsBlick» in seinem Brottest ebenfalls ungesagt lässt: Hauptsponsor von Studers Arbeitgeber «Al Dente» ist «Betty Bossi». Die Firma gehört seit 2001 zur Hälfte dem Verlagshaus Ringier, das den «SonntagsBlick» verlegt – und zur anderen Hälfte Coop, dessen Backwaren im Test übrigens am besten abschneiden.
Peter Studer, ehemaliger Präsident des Schweizer Presserats, ist von dieser Versuchsanordnung wenig begeistert. Er sagt gegenüber 20 Minuten Online: «Wenn ein Tester Produktetests vornimmt und dessen Arbeitgeber selber solche Produkte herstellt, muss man mindestens die Beziehung offenlegen – oder noch besser: Einen anderen Tester ranlassen.»
Gepimpter Coop-Zopf
Um Zöpfe von Coop ging es im «SonntagsBlick» schon vor drei Wochen. In einem Bericht liess man eine Coop-Sprecherin über einen neuen «gelifteten» Coop-Zopf plaudern. In der Test-Ausgabe drei Wochen darauf gewann dann prompt ebendieser Zopf mit der Note 5.25.
Dazu Ringier-Sprecher Estermann: «Der Brottest war eine legitime Folgegeschichte auf diesen Bericht. Wir wollten testen, ob das neue Backverfahren von Coop tatsächlich so gut ist.»
Unter Geschäftsfreunden
Ist die gute Note des Coop-Zopfs also Zufall? Wohl schon. Ein Einzelfall ist die Zopf-Geschichte aber nicht. Schaut man sich in der Mediendatenbank SMD die Berichterstattung der Ringier Medien («Blick»-Gruppe, «Schweizer Illustrierte») über Coop an, ist man dazu geneigt, ein gewisses Wohlwollen des zweitgrössten Verlagshauses in der Schweiz zum zweitgrössten Detailhändler im Land festzustellen. Während man über die Migros distanziert bzw. nüchtern journalistisch schreibt, ist die Coop-Berichterstattung in den vergangenen Jahren von einer freundlichen Note geprägt.
Der Detailhändler wird regelmässig in redaktionellen Beiträgen für Umweltschutzaktionen, Preissenkungen, die billige Supercard oder die Vorzüge der Family-Card (ebenfalls in der Sobli-Ausgabe dieser Woche) gelobt. Eine Auswahl: «Die gute Nachricht von heute Sonntag: Coop wird 123 Mal billiger!», titelte der «SonntagsBlick» im Februar 2008, als er vom Coop-Chef Hansueli Loosli höchstpersönlich über eine Preissenkungsrunde informiert wurde. «Coop – ökologisch und fair für uns alle» («SonntagsBlick», 14. Februar 2010). «Coop bricht Butter-Preis» («Blick», 9. Januar 2007).
Coop findet bei Ringier auch eine Plattform, um offen über Ungemach zu schimpfen, etwa über Nestlé, wenn sie die Rohstoffe für Kaffee und Schokolade verteuert («SonntagsBlick», 10. August 2008) oder über die Konkurrentin Migros, wenn deren Preissenkungen angeblich eine reine Werbekampagne sind («Blick», 6. Oktober 2009).
Betty Bossi: Gemeinsames Kind
«Coop-Loosli», wie CEO Hansueli Loosli in den Publikationen oft genannt wird (einen «Migros-Bolliger» kennen weder «Blick» noch «SonntagsBlick»), gibt Ringier-Journalisten gern persönlich und exklusiv Auskunft.
Als Dank gibts Schlagzeilen wie «Achtung, fertig, Loosli» («Schweizer Illustrierte», 9. März 2009) oder «Coop-Loosli macht noch mehr Druck» («Blick», 16. Januar 2009) oder Geschichten in eigener Sache. Rund eine Woche nach der ersten Zopf-Geschichte erläutert der Coop-CEO dem milden Befrager vom «Blick», dass Coop für die Kunden «um jeden Franken kämpfe».
Der Grund der journalistischen Innigkeit könnte in der Firma Betty Bossi liegen. Im November 2001 übernahm Coop von Ringier 50 Prozent des Küchenimperiums. Im Verwaltungsrat sass nun neben dem damaligen Ringier-CEO Martin Werfeli (heute im Verwaltungsrat) «Coop-Loosli» - und wurde somit auch ein klein wenig zum «Ringier-Loosli».
«Enge Zusammenarbeit»
Ringier erhoffe sich durch den Einstieg des Detailhändlers «Synergien und den Einstieg in neue Geschäftsfelder», schrieb der Medienkonzern damals in einer Mitteilung. Unter Synergien verstand man explizit auch eine «enge Zusammenarbeit im gesamten Kommunikationsspektrum (Printmedien, TV, Internet)».
Ging da vor lauter Synergien die journalistische Distanz und Unabhängigkeit verloren? Nein, sagt Ringier-Sprecher Estermann. Man kritisiere Coop immer wieder. Aber: «Weil Hansueli Loosli bereits so lange Chef von Coop und ein offener Mensch ist, kann natürlich der Eindruck entstehen, dass Coop sehr oft in Ringier-Medien vorkommt.» Fakt ist: Seit Coop Betty-Bossi-Produkte verkauft, verdient Ringier an jedem Produkterlös mit.
Unterhaltung aus einer Hand
Für das Medienhaus Ringier soll das Lebensmittelgeschäft nur der Anfang sein. Der Konzern, der 2008 seinen 175. Geburtstag feierte, erfindet sich gerade neu. Um in schweren Medienzeiten überleben zu können, steigt Ringier ins Konzertbusiness ein, baut eine Agentur für Stars auf und übernimmt gleich die Pressearbeit in den eigenen Publikationen. Wie sollen Ringier-Zeitungen künftig objektiv über Stars, Mode und Konzerte berichten?
Verbales Schulterzucken bei Ringier-Sprecher Estermann. «So läuft das Business heute», sagt er. «Als Medienkonzern verdient man sein Geld in verschiedenen Bereichen.» Man rede den Journalisten aber nicht drein, worüber sie berichten sollen und worüber nicht.
Der Leser kann sich also weiter über kritische Berichte über Bands und Stars des Konzertverantalters Ringier in den Ringier-Zeitungen und Zeitschriften freuen.
«Ein Blindtest ist neutral. Basta.»
Fernsehkoch Andreas C. «Studi» Studer ist mit dem Inhalt dieses Artikels nicht einverstanden. Seine Stellungnahme finden sie hier.
Fernsehkoch Andreas C. «Studi» Studer ist mit dem Inhalt dieses Artikels nicht einverstanden. Seine Stellungnahme finden sie hier.